Presserat weist BILD-Kritik zurück
Der Presserat hat vier Zeitungen wegen Verstößen gegen den Pressekodex öffentlich gerügt. Bei seinen jüngsten Sitzungen in Bonn am 2. und 3. Dezember beanstandeten die beiden Beschwerdeausschüsse des Presserats Verletzungen der Sorgfaltspflicht, eine nicht ausreichende Kennzeichnung von Anzeigen und die unangemessen sensationelle Darstellung eines Flugzeugabsturzes.
Eine öffentliche Rüge erhielt die SCHLESWIGER NACHRICHTEN. Sie hatte falsche Informationen über einen Lokalpolitiker ungeprüft veröffentlicht. In einem Bericht hieß es, der Politiker habe bei dem Besuch eines Gefängnisses trotz Aufforderung seine Handys nicht abgegeben und damit die Sicherheitsvorkehrungen missachtet. Erst in der Sicherheitsschleuse hätten Kontrolleure drei Mobiltelefone bei ihm gefunden. Tatsächlich aber hatte er seine Telefone unaufgefordert abgegeben, die Sicherheitsschleuse wurde gar nicht benutzt. Die Zeitung hatte die von Dritten herangetragene Information, die den Politiker in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht rückt, nicht auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Diese fehlende Recherche wertete der Ausschuss als groben Sorgfaltspflichtverstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex.
Ziffer 2 – Sorgfalt
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.[…]
Ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen Ziffer 2 wurde die HAMBURGER MORGENPOST gerügt für einen Beitrag, der die Schließung eines Geschäftes, in dem Bekleidung für die rechtsradikale Szene verkauft wird, thematisierte. Hierin hatte sie unbelegte Gerüchte über die Auflösung des Mietvertrags als Tatsachen in den Raum gestellt. Die Zeitung suggerierte, u.a. in der Überschrift, dass sie Kenntnis über die Einzelheiten des Vertrages habe, konnte dies aber nicht mit einer Quelle belegen. Der Ausschuss wertete dies als schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverstoß.
Einen Verstoß gegen Ziffer 7 rügte der Presserat bei der ANGELWOCHE. Die Fachzeitschrift hatte in mehreren redaktionell gestalteten Beiträgen Produkte eines einzigen Angelbedarf-Herstellers vorgestellt. Zwischen den einzelnen Beiträgen waren Anzeigen dieses Unternehmens veröffentlicht. Der Beschwerdeausschuss erkannte in den redaktionell gestalteten Veröffentlichungen werbliche PR-Beiträge, die für den Leser nicht als solche erkennbar waren. Hier wäre eine klare Kennzeichnung im Sinne der Richtlinie 7.1. notwendig gewesen.
Richtlinie 7.1 – Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Öffentlich gerügt wurde die BILD-Zeitung aufgrund der Berichterstattung zum Absturz eines Flugzeuges im Himalaya, bei dem auch zwölf deutsche Touristen starben. Die Zeitung hatte auf der ersten Seite großformatig ein Foto der Unglücksstelle abgebildet, auf dem verkohlte Leichen zu sehen waren. Im Innenteil wurden zudem Fotos einiger Passagiere veröffentlicht. Dadurch wurde ein Teil der Opfer identifizierbar. Durch den assoziativen Zusammenhang zwischen den Abgelichteten im Innenteil und den anonymen Leichen auf der Vorderseite wurden die Gefühle der trauernden Angehörigen verletzt. In der Gesamtberichterstattung sah der Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen die Ziffern 11 und 8 des Pressekodex. Ziffer 11 verpflichtet die Presse, „auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität“ zu verzichten, und grenzt in Richtlinie 11.3 die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen deutlich ein:
Richtlinie 11.3 – Unglücksfälle und Katastrophen
Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.
Insgesamt wurden in den zwei Beschwerdeausschüssen und dem Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz 52 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den vier Rügen neun Missbilligungen und neun Hinweise ausgesprochen. In vier Fällen war die Beschwerde begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da das Medium der Beschwerde in geeigneter Weise begegnet war. In 18 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. In zwei Fällen hatten sich mehrere Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung beschwert, hier wird das Ergebnis jedoch nur einmal gezählt.