Pressemitteilungen und Aktuelles

Lokalpolitiker berichtet über eigenen Wahlkampf

Mehrfach hat der Deutsche Presserat in seinen Sitzungen gestern und vorgestern (3. und 4. Juni) in Bonn zu seiner schärfsten Sanktion gegriffen: Er sprach u.a. wegen Verletzungen des Trennungsgebots und der Nichtbeachtung von Persönlichkeitsrechten Rügen aus.

Eine öffentliche Rüge erhielt  DER NEUE TAG. Die Zeitung hatte einen Lokalpolitiker, der auch als freier Mitarbeiter der Zeitung tätig ist, über seine eigene Nominierung als Bürgermeisterkandidat und andere Wahlkampftermine berichten lassen. Der Presserat wertete dies als schwere Verletzung der Ziffer 6 des Kodex, die vorschreibt, dass Journalisten ihre Tätigkeit streng von anderen Funktionen trennen müssen. Aus Sicht des Ausschusses ist es presseethisch nicht vertretbar, wenn ein Kandidat über seine eigenen Wahlkampfveranstaltungen berichtet. Durch eine solche Praxis gerät die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr.

Ziffer 6  –  Trennung von Tätigkeiten
Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.


Wegen Schleichwerbung gerügt wurde die Hochschulzeitschrift AUD!MAX aufgrund eines Unternehmensporträts. Die Redaktion präsentiert darin aus Sicht des Personalchefs dieses Unternehmens jungen Hochschulabsolventen die Firma. Dabei wird die Grenze zur Schleichwerbung überschritten. Richtlinie 7.2 fordert:

Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.

Eine öffentliche Rüge erhielt die Fachzeitschrift ERGOTHERAPIE & REHABILITATION. Sie hatte ein erfundenes Interview mit einer fiktiven Interviewpartnerin veröffentlicht. Dies ist ein schwerer Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex. In dem Interview ging es ausschließlich um einen großen Ergotherapie-Kongress in Hamburg. Der Ausschuss wertete die Berichterstattung außerdem als Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2. Im Wechselspiel zwischen Redaktion und erfundener Interviewpartnerin wurde der Kongress über ein begründetes öffentliches Interesse hinaus positiv dargestellt. Hinzu kommt, dass der Herausgeber der Zeitschrift den Kongress mit ausrichtet und daher ein Interesse an einer positiven Berichterstattung hat.

Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

BILD (Bremen) erhielt eine nicht-öffentliche Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Ziffern 8, 2 und 1 des Pressekodex. Die Zeitung hatte berichtet, dass zwei Mädchen im Alter von eins und vier Jahren auf Veranlassung ihrer Mutter zur Beschneidung nach Afrika gebracht werden sollten, was aber durch den Vater und einen Polizeieinsatz habe verhindert werden können. Ausschlaggebend für die Rüge war ein beigestelltes Foto, das beide Kinder ungeblendet zeigte. Hierfür gab es nicht die Einwilligung beider Eltern. Die Veröffentlichung dieses Fotos verletzt die Persönlichkeitsrechte der Kinder nach Ziffer 8 des Pressekodex.

Einen Verstoß gegen das Wahrheitsgebot aus Ziffer 1 des Pressekodex sah der Ausschuss zudem im Einstieg des Beitrages, wonach in einer dunklen Hütte in Afrika bereits ein Medizinmann auf die Mädchen gewartet habe. Dies war offenbar frei erfunden. Die Zeitung verletzte außerdem die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Als Quellen für den Bericht wurden neben der Polizeimeldung und den Aussagen des Vaters nicht auch die Aussagen der Mutter berücksichtigt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Mutter Beschneidungen ablehnt und ihre Kinder nicht zu diesem Zweck nach Afrika bringen wollte. Der Ausschuss hält es zwar für zulässig, dass die tagesaktuelle Berichterstattung im Wesentlichen auf der Polizeimeldung beruhte. Dies hätte jedoch für den Leser deutlich erkennbar sein müssen. Aus Opferschutzgründen verzichtete der Ausschuss darauf, die Zeitung zum Abdruck der Rüge zu verpflichten.

Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Öffentlich gerügt wurde der NORDKURIER (Neubrandenburger Zeitung). Er hatte vorverurteilend über einen bevorstehenden Prozess gegen einen Steuerberater berichtet. In dem Artikel wurde nicht ausreichend deutlich, dass die schweren Vorwürfe gegen den Mann zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht gerichtlich erwiesen waren. Beispielsweise bezeichnete die Zeitung den Beschuldigten schon vor dem Verfahren als „clever und kriminell“. Der Presserat hielt das für eine Verletzung der Ziffer 13, in der das Verbot der Vorverurteilung geregelt ist. Außerdem sah er die Ziffer 8 – Schutz der Privatsphäre – verletzt, weil der Angeklagte zwar nicht namentlich genannt wurde, aber aufgrund des Gesamtzusammenhangs für einen weiteren Personenkreis erkennbar war. Weil der Betroffene bei den schweren Vorwürfen, die gegen ihn erhoben wurden, mit weitreichenden Konsequenzen für seine berufliche Zukunft rechnen muss, hätte die Zeitung die Unschuldsvermutung besonders ernst nehmen müssen.

Ziffer 13 – Unschuldsvermutung
Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.

Insgesamt wurden in den zwei Beschwerdeausschüssen  74 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den Rügen 15 Missbilligungen und 13 Hinweise ausgesprochen. In 29 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. Ein Fall war begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet. In einigen Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer gegen gleiche Veröffentlichungen.

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