Presserat begrüßt SPD-Programm für freie Medien
Der Sprecher des Presserats, Fried von Bismarck, sowie Geschäftsführer Lutz Tillmanns informierten auf der Jahrespressekonferenz des Deutschen Pressrats am 17. Oktober in Berlin u.a. über folgende Themen:
- Pressefreiheit: Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen
- Klage gegen den Presserat
- Beschwerdearbeit 2006/2007
- Trennungsgebot
Der Deutsche Presserat sieht auch weiterhin Defizite bei der Pressefreiheit in Deutschland. Die Tatsache, dass Reporter ohne Grenzen in seiner Liste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit – gestern vorgestellt – Deutschland nur vom 23. Platz auf den 20. Platz umgestuft hat, bedeutet keine Verbesserung der Situation, da die Gesamtpunktzahl fast gleich geblieben ist und lediglich andere Länder schlechter positioniert wurden. Insgesamt verdeutlicht diese immer noch recht schlechte Platzierung, dass zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen Journalisten, Durchsuchungen in Redaktionen in den vergangenen Jahren sowie verschiedene Gesetzentwürfe die Pressefreiheit in Deutschland auszuhöhlen drohen.
Insbesondere der zur Zeit beratene Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung und zur Vorratsdatenspeicherung gefährdet nach Ansicht des Presserats die Pressefreiheit und höhlt den Informantenschutz aus. Der Entwurf sieht vor, dass künftig entsprechend gespeichert werden soll, wer wann von wo aus mit wem Kontakt via Telefon, Handy oder E-Mail hat. So soll der Informantenschutz bei sämtlichen Ermittlungsmaßnahmen nur noch der Prüfung auf Verhältnismäßigkeit im Einzelfall unterworfen werden – Journalisten können somit ihren Informanten nicht mehr garantieren, dass sie geschützt sind. Auch in der geplanten Speicherung aller Daten der elektronischen Kommunikation, so auch von Journalistinnen und Journalisten für sechs – nach Vorschlag des Bundesrates sogar zwölf – Monate sieht der Presserat eine Gefahr. Diese Bewertung unterstreicht ein Bündnis aus dem Deutschen Presserat, DJV, dju, BDZV, VDZ, VPRT, ARD und ZDF gegenüber dem Gesetzgeber. Mit dem Gesetzentwurf, der nach der ersten Lesung und Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags jetzt vor der abschließenden Beratung steht, soll die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in nationales Recht umgesetzt werden.
So muss nach Ansicht des Deutschen Presserats verhindert werden, dass der Informantenschutz unter leicht konstruierbaren Abwägungen der Verhältnismäßigkeit ausgehebelt werden kann. Die Vorratsdatenspeicherung darf zudem nur der Aufklärung wirklich schwerer Verbrechen dienen. Zudem müssen die Redaktionen künftig besser gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse geschützt werden, wenn gegen Journalisten wegen des Verdachts einer Teilnahme am Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt wird. Solche Maßnahmen dürfen nur eingeleitet werden, wenn ein dringender Tatverdacht vorliegt.
In Fällen der Telekommunikationsüberwachung muss in jedem Fall eine Benachrichtigung erfolgen. Der Gesetzentwurf sieht hier aber entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, dass unter Umständen nach einer Frist von fünf Jahren entschieden werden kann, dass eine Benachrichtigung nicht mehr erfolgen muss. Eine zeitliche Beschränkung der Informationspflicht ist nicht akzeptabel.
Das Medienbündnis fordert vom Bundestag insbesondere folgende Anpassungen:
- Der Vertrauensschutz darf für Journalistinnen und Journalisten nicht weniger umfassend sein als für Strafverteidiger, Abgeordnete und Geistliche.
- Der Informantenschutz darf bei Ermittlungen nicht wie geplant einer Prüfung der
Verhältnismäßigkeit unterworfen werden.
- Die geplante Vorratsdatenspeicherung darf nur der Aufklärung wirklich schwerer
Verbrechen dienen.
- Journalistinnen und Journalisten, deren Telekommunikationsdaten überwacht werden, müssen vollständig informiert werden.
Der Presserat und die Medienverbände appellieren deshalb an die Mitglieder des Deutschen Bundestags, das Grundrecht der Pressefreiheit nicht vorschnell dem berechtigten staatlichen Interesse der Verbrechensbekämpfung zu opfern. Die weitere Aushöhlung von Informantenschutz und Freiheit der Berichterstattung fügt der Demokratie dauerhaften Schaden zu. Ein Klima der Angst in Redaktionen vor Ausspähung ihrer elektronischen Kommunikation behindert den kritischen Journalismus, auf den Demokratie und Staat dringend angewiesen sind.
Der Deutsche Presserat beurteilt auch die aktuellen Pläne des Bundesinnenministeriums zur Online-Durchsuchung sehr kritisch. Der Entwurf des „Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“ enthält sehr weitgehende Befugnisse für die Ermittlungsbehörden. So soll dem BKA das Recht eingeräumt werden, in einzelnen Fällen auch ohne richterliche Genehmigung Online-Durchsuchungen einzuleiten. Zudem soll die Online-Durchsuchung auch dann erlaubt sein, wenn unverdächtige Personen mit betroffen sind. Das kann aus Sicht des Presserats gravierende Auswirkungen auf recherchierende Journalistinnen und Journalisten haben. Wer über Verbrechen recherchiert, darf nicht ins Fadenkreuz der Online-Fahnder geraten. Nach Ansicht des Presserats werden die Recherchefreiheit und der Informantenschutz durch die drohende Online-Durchsuchung fundamental in Frage gestellt. Der Deutsche Presserat fordert deshalb die Bundesregierung auf, die Pläne zur Online-Durchsuchung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben zu überarbeiten.
Der Deutsche Presserat hat das „Cicero“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2007 begrüßt. Karlsruhe hat damit das Recht der Journalisten gestärkt, ihre Informationsquellen nicht preiszugeben. Nach Auffassung der Mitglieder der Freiwilligen Selbstkontrolle stärkt das Gericht die Pressefreiheit mit der Feststellung, dass die bloße
Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses nicht ausreiche, Durchsuchungen in Redaktionen zu begründen.
Zu einem speziellen Problem bei Ermittlungen gegen Journalisten hat sich das Gericht nach Ansicht des Presserats aber leider nicht abschließend geäußert: Die Frage, ob Journalisten Beihilfehandlungen vorgeworfen werden können, wenn ein Dienstgeheimnis bereits verraten ist (sukzessive Beihilfe), wurde verfassungsrechtlich offengelassen. Hätte das Gericht diese juristische Konstruktion für verfassungswidrig erklärt, könnten die Strafverfolgungsbehörden mit dem Verdacht einer Beihilfe zum Geheimnisverrat grundsätzlich keine Redaktionen mehr durchsuchen. Der Deutsche Presserat, der sich neben der Verteidigung der Pressefreiheit auch für den unbehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen einsetzt, sieht hier noch dringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber.
Der Öko-Test-Verlag hat gegen eine öffentliche Rüge aus dem Jahr 2006 ein Verfahren gegen den Deutschen Presserat angestrengt, dem das Landgericht Frankfurt am Main mit seinem Urteil vom 5. Juni 2007 in erster Instanz stattgegeben hat. Öko-Test hat den Deutschen Presserat auf Unterlassung der Aussage in Anspruch genommen, die Zeitschrift habe die journalistische Sorgfalt verletzt, indem der Verlag in einem Beitrag über Neurodermitis-Cremes für Kleinkinder nicht deutlich genug auf einen bestehenden Krebsverdacht bei drei der Cremes aufmerksam gemacht hatte. Tatsächlich wird, entgegen der Darstellung im einleitenden Text, in der ausführlichen Tabelle nicht mehr auf den Verdacht hingewiesen. Außerdem enthält die Tabelle eine Creme, die für Kleinkinder gar nicht zugelassen ist.
Das Landgericht stufte die o.g. Bewertung des Beitrags durch den Beschwerdeausschuss in seinem Urteil als Tatsachenbehauptung ein. Damit setzt es sich in Widerspruch zur Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln in einem Verfahren von Öko-Test gegen den Presserat aus dem Jahr 2006. Das OLG Köln hat in einem Urteil vom 11. Juli 2006 klargestellt, dass der Deutsche Presserat Verlage missbilligen und auf journalistische Sorgfaltsverstöße hinweisen darf. Die Berechtigung des Presserats „folgt aus der verfassungsrechtlich verankerten Vereinigungsfreiheit, das Recht seiner Mitglieder zur freien Meinungsäußerung aus Art. 5 GG. Seine Entschließungen, ob er einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze annimmt und gegebenenfalls welche Maßnahmen er ergreift, sind ausschließlich durch ideelle, im Pressekodex wiedergegebene ethische Vorstellungen geprägt“. Das Landgericht Frankfurt stellt jedoch darauf ab, dass sich die Rüge auf Ziffer 2 des Pressekodex stützt, die den Wahrheitsgehalt der Berichterstattung avisiert. Mit der Rüge bezweifle der Ausschuss unzutreffend den Wahrheitsgehalt, so dass er eine Tatsache behaupte. Der Presserat hat egen das Urteil inzwischen Berufung beim OLG Frankfurt eingelegt.
Das Jahr 2006 zeigt mit 954 Eingaben einen neuen Höchstwert an. Die Steigerung von fast 28 % zu den 746 Eingaben in 2005 ist jedoch zum Teil darauf begründet, dass sich 90 Beschwerdeführer über die Mohammed-Karikaturen in einer überregionalen Zeitung beschwert haben. Dieser Fall wurde im Beschwerdeausschuss behandelt und als unbegründet angesehen. Insgesamt 371 Beschwerden wurden in den Beschwerdeaus-schüssen 2006 behandelt. Auch dies bedeutet eine Steigerung der Arbeit in den Beschwerdeausschüssen um fast 28 %. Auffällig bei den Maßnahmen ist die gestiegene Anzahl der öffentlichen Rügen von 25 in 2005 auf 36 in 2006. Hinzu kommen in 2006 noch sechs nicht-öffentliche Rügen sowie 64 Missbilligungen und 65 Hinweise. 135 Fälle wurden als unbegründet beurteilt. Acht Beschwerden wurden als begründet angesehen, es wurde jedoch auf eine Maßnahme verzichtet, da der Beschwerdegegner der Beschwerde in geeigneter Weise begegnet war, z.B. durch den Abdruck eines Leserbriefes, einer öffentlichen Entschuldigung o.ä.
Im Jahr 2007 gab es bislang ca. 560 Eingaben und somit hochgerechnet voraussichtlich eine leichte Abnahme im Vergleich zum letzten Jahr. Bislang wurden bereits 237 Beschwerden in den drei Sitzungen der Beschwerdeausschüsse behandelt – eine vierte Sitzung folgt Ende November – und dabei 22 öffentliche Rügen, 3 nicht-öffentliche Rügen, 53 Missbilligungen sowie 36 Hinweise ausgesprochen. Zwölf Beschwerden waren begründet, es wurde jedoch auf eine Maßnahme verzichtet. 90 Beschwerden waren unbegründet.
Auffällig bei der Beschwerdestatistik ist sowohl im letzten als auch in diesem Jahr die Zunahme der Rügen wegen eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot. Allein in diesem Jahr wurden hierzu bislang 45 Beschwerden behandelt (2006: 53 insgesamt) und dabei 14 öffentliche Rügen (2006: 13), 10 Missbilligungen (2006: 16), 8 Hinweise (2006: 7) ausgesprochen. Zwei Beschwerden waren begründet, es wurde jedoch auf eine Maßnahme verzichtet. 11 Beschwerden waren unbegründet (2006: 7).
Anlässlich der Zunahme von Beschwerden insbesondere aus dem Bereich des Trennungsgebotes sowie der sich wandelnden Erwartungen der Redaktionen an die Qualität der Selbstkontrolle trafen sich im September Chefredakteure und Verlagsverantwortliche beim Presserat. Einig waren sich bei dem Gespräch alle darüber, dass die Vermischung von Werbung und redaktionellen Inhalten dem Ansehen und den wirtschaftlichen Interessen der Presse schadet. Schleichwerbung muss ein Tabu bleiben. Dem von einigen Seiten geäußerte Wunsch nach einer praxisnahen Konkretisierung des Trennungsgrundsatzes wird der Presserat mit einer Broschüre nachkommen. Diese soll eine stark alltagsbezogene Orientierung, wie die Redaktionen die Richtlinien des Pressekodex handhaben sollten, beinhalten.