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Fünf schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats sowie der Ausschuss zum Redaktionsdatenschutz tagten am 5. und 6. Dezember 2006 in Bonn. Dabei wurden insgesamt 106 Beschwerden behandelt, zwölf Rügen, 19 Missbilligungen und 18 Hinweise ausgesprochen. 47 Beschwerden wurden als unbegründet angesehen, vier Beschwerden waren begründet, es wurde jedoch auf eine Maßnahme verzichtet, da die Zeitungen den Fehler von sich aus korrigiert hatten. Zwei Beschwerden konnten nicht aufgeklärt werden, hier wurde das Verfahren eingestellt.

Insgesamt vier nicht-öffentliche Rügen wurden aufgrund eines Verstoßes gegen die Ziffer 8 ausgesprochen. In drei Fällen wurden die Veröffentlichungen von Fotos mutmaßlicher Täter gerügt. So hatte die BILD-Zeitung einen 12-jährigen Schüler abgebildet, der seine Lehrerin niedergeschlagen haben soll. In einem zweiten Fall hatte BILD das Foto einer Frau veröffentlicht, die unter Verdacht stand, ihr neugeborenes Kind erstickt zu haben. Die TZ (München) hatte über eine Gerichtsverhandlung gegen einen Mann berichtet, dem vorgeworfen wurde, seine Ex-Freundin ermordet zu haben.

Auch in diesem Fall war dem Artikel ein Foto beigestellt, auf dem der Verdächtige erkennbar war. Sodann hatte BILD über eine Familientragödie berichtet, bei der ein Arzt seine Frau, einen seiner Söhne und sich selbst umgebracht hatte. Der andere Sohn überlebte. Von allen vieren wurden Fotos veröffentlicht. Gepixelt wurde allerdings nur das Foto des überlebenden Kindes. In allen vier Fällen erkannte der Presserat kein öffentliches Interesse, das die Identifizierbarkeit der Personen gerechtfertigt hätte. Der Presserat verzichtete im Sinne der Betroffenen allerdings auf den Abdruck der Rügen und wählte als Maßnahme jeweils die nicht-öffentliche Rüge. Ziffer 8 des Kodex fordert:

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen.
Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden.[...]


Eine öffentliche Rüge erhielt die BILD-Zeitung, die in einem Beitrag über den Freitod einer überschuldeten Frau in ausführlicher Art und Weise berichtet hatte. Die Frau hatte sich beim Eintreffen der Gerichtsvollzieherin aus dem Fenster gestürzt, da die Zwangsräumung ihrer Wohnung bevorstand. Richtlinie 8.5 des Pressekodex fordert jedoch eine Zurückhaltung bei Berichten über Suizide:  

Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt
insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer
Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt.


Das Ansehen der Presse verletzt sah der Beschwerdeausschuss durch zwei Artikel der Zeitschrift PC MAGAZIN sowie einen Beitrag der Zeitschrift PCgo und rügte beide Publikationen. In dem ersten Beitrag des PC MAGAZIN hatte die Zeitschrift detailliert über den Download von Raubkopien von chinesischen Webseiten unter Nennung der einschlägigen Web-Adressen und Übersetzungstools berichtet. In einem zweiten Beitrag hatte die Redaktion einen Vergleichstest von illegalen Downloadquellen veröffentlicht. PCgo hatte ebenfalls über Downloadmöglichkeiten von russischen Internetseiten berichtet. Nach Auffassung des Beschwerdeausschusses versetzte die Berichterstattung die Leser u.a. durch die konkrete Nennung von Webadressen und Hinweise auf unterstützende Programme in die Lage, illegal Software herunterzuladen. Eine solche Anleitung ist mit dem Ansehen der Presse nicht vereinbar. Ziffer 6 des Pressekodex fordert:

Jede in der Presse tätige Person wahrt das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien [...].

Als diskriminierend bewertete der Ausschuss einen im OBERBAYERISCHEN VOLKSBLATT (Mühldorfer Anzeiger) veröffentlichten Leserbrief zum Israel-Libanon-Konflikt. In der Zuschrift war die Rede davon, dass „die jüdische Welteroberung“ im Irak ins Stocken geraten sei. Weiterhin hieß es, die Juden bekämen die Zeit, „die sie brauchen, um den Libanon zu vernichten und dort einen Holocaust auszulösen“. Diese Aussagen diskriminieren mit antisemitischen Stereotypen unter dem Vorwand der Kritik an der Politik Israels Juden. Daher rügte der Beschwerdeausschuss die Zeitung nach Ziffer 12:

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

In diesem Zusammenhang betonte das Gremium, dass auch bei der Veröffentlichung von Leserbriefen die Publizistischen Grundsätze beachtet werden müssen. Die Redaktion besitzt hier eine eigene Prüfungspflicht.

Gegen das Trennungsgebot von Werbung und Redaktion verstießen die Zeitschriften MYSELF und TOP MAGAZIN Karlsruhe. MYSELF durch einen werbenden redaktionellen Beitrag über Flip-Flops eines bestimmten Herstellers. Das TOP MAGAZIN durch eine nicht gekennzeichnete Anzeige eines Hotels, die für den Leser nicht als Werbung erkennbar war. Beides verstieß gegen die Ziffer 7 des Pressekodex:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.

Wegen eines groben Verstoßes gegen das in Ziffer 1 Pressekodex festgehaltene Wahrheitsgebot wurde DAS GOLDENE BLATT gerügt. Die Zeitschrift hatte in der Ausgabe vom 28.11.2005 über die Geburt des dritten Kindes von Prinzessin Mette-Marit von Norwegen berichtet, das allerdings erst einige Tage später zur Welt kam. Ziffer 1 fordert:

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Das HAMBURGER ABENDBLATT erhielt eine Rüge wegen einer Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht (Ziffer 2) und einer nicht erfolgten Korrektur (Ziffer 3). Die Zeitung hatte ein Bild mit vier giftigen Pilzen veröffentlicht und zwei davon als essbar bezeichnet. Obwohl ein aufmerksamer Leser die Redaktion auf den Fehler aufmerksam gemacht hatte, korrigierte sie ihn nicht. Dies fordert Ziffer 3 des Kodex:

Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.

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