Diskriminierung von Asylbewerbern gerügt
Auf seiner ersten Sitzung des Jahres hat der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats am 10.3.2004 zwei öffentliche Rügen ausgesprochen.
Die BILD-Zeitung erhielt eine öffentliche Rüge aufgrund eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot in Ziffer 12 des Pressekodex. Unter den Überschriften „Hier wohnt Bremens schlimmste Asyl-Familie“ und „Die Asylabzocker“ berichtete die Zeitung unter Bekanntgabe der kompletten Anschrift und der Veröffentlichung eines Fotos des Wohnhauses über eine 16-köpfige Asylbewerberfamilie. Der Familie wurde darin Asyl- und Sozialhilfebetrug unterstellt.
In dem ersten Artikel wurde die Tatsache, dass die Mutter vom Gesundheitsamt wegen eines Traumas krankgeschrieben wurde, von der Zeitung als „juristischen Trick“ der Patientin gewertet, um eine Abschiebung zu verhindern. In dem zweiten Artikel wurde der Familie „Abzockerei“ vorgeworfen. Es wurde berichtet, dass die erwachsenen Kinder „standesgemäß Mercedes-E-Sportcabriolet, BMW und andere Luxusautos“ fahren würden und die Erwartung formuliert, dass sie dies „hoffentlich nicht mehr lange ....“ tun. In der Veröffentlichung derartiger Vorwürfe und sonstiger Umstände sah der Beschwerdeausschuss eine Diskriminierung der Familie.
Die Zeitschrift WIRTSCHAFTSFORUM erhielt eine öffentliche Rüge, da sie gegen den Trennungsgrundsatz in Ziffer 7 des Pressekodex verstoßen hat. In einem Schreiben hatte die Zeitschrift ein Unternehmen, von dem ein Firmenporträt veröffentlicht worden war, dazu aufgefordert, für die Illustration des Textes Veröffentlichungskosten zu übernehmen. Dies verstößt gegen den Trennungsgrundsatz, da die komplette redaktionelle Berichterstattung frei von finanziellen Gegenleistungen erfolgen muss. Nur so kann gewährleistet sein, dass die redaktionelle Veröffentlichung nicht von dritter Seite beeinflusst wird:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Drei Publikationen wurden ebenfalls aufgrund eines Verstoßes gegen die Ziffer 7 des Kodex missbilligt. So hatte z.B. eine Zeitschrift in einem Schreiben an potentielle Anzeigenkunden das Angebot gemacht, die Werbung so zu gestalten, dass der Leser sie als redaktionellen Beitrag wahrnimmt. Eine Tageszeitung wurde missbilligt, da sie auf einer Seite drei sehr ausführliche Beiträge über ein Reiseunternehmen und seine Angebote veröffentlicht hatte. Diese Veröffentlichungen überschritten die Grenze zur Schleichwerbung, da kein öffentliches Interesse an derart gehäufter Berichterstattung bestand.
Eine Missbilligung erhielt eine Tageszeitung wegen eines Artikels über den Prozess gegen den als „Kannibalen“ bekannten Täter Armin M. Sie hatte sehr detailliert – unter anderem Einzelheiten der Zubereitung abgetrennter Körperteile als Essen – die Aussagen des Angeklagten zum Ablauf der Tat geschildert. Der Beschwerdeausschuss war jedoch der Meinung, dass - auch wenn ein öffentlicher Prozess derartige Details zum Vorschein bringt - diese im konkreten Fall nicht in allen Einzelheiten veröffentlicht werden dürfen. Er sah hierin einen Verstoß gegen die Ziffer 11 des Pressekodex:
Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität. Der Schutz der Jugend ist in der Berichterstattung zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeausschuss behandelte insgesamt 42 Beschwerden. Neben den zwei Rügen wurden zwölf Missbilligungen und acht Hinweise ausgesprochen. Eine Beschwerde war begründet, es wurde jedoch keine Maßnahme ausgesprochen, da die Zeitung den Sachverhalt von sich aus und in öffentlicher Form direkt berichtigt hatte. 14 Beschwerden wurden als unbegründet abgelehnt.