Datenschutz in Redaktionen: ein notwendiges Qualitätsmerkmal
Unter dem Titel „Pressefreiheit und Datenschutz“ veranstaltete der Deutsche Presserat am 24.11.2004 in der Landesvertretung NRW in Berlin ein Symposium zur Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz. Experten aus Redaktionen, Politik sowie Datenschutzbeauftragte der Länder und einzelner Verlage diskutierten unter verschiedenen Gesichtspunkten die Vor- und Nachteile, die perspektivischen Möglichkeiten und Arbeitsaufträge an den Presserat zur zukünftigen Erfüllung seiner Aufgabe auf diesem Gebiet.
Bei der Eröffnung betonte Fried von Bismarck, Vorsitzender des Trägervereins des Deutschen Presserats: „Nach den vielen Tiefschlägen für die Pressefreiheit der letzten Zeit steht mit dem Thema dieser Veranstaltung endlich wieder einmal ein positives Beispiel für die Verteidigung der Pressefreiheit auf der Tagesordnung: die Freiwillige Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz.“ In ihren Grußworten äußerten sich Minister Wolfram Kuschke, Bevollmächtigter des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund, und Fritz Körper, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, positiv über die bisherige Umsetzung der Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz. Kuschke betonte: „Das Prinzip der Selbstkontrolle hat sich bewährt und wird sich – da bin ich sicher – auch weiterhin bewähren.“ Auch Staatssekretär Körper befand, dass sich die Erwartungen an den Presserat erfüllt hätten. Zwar habe es anfangs Befürchtungen gegeben, dass Redaktionsdatenschutz nicht durchsetzbar sei, wenn er nur auf Selbstkontrolle beruhe: „Dies habe sich jedoch nicht bewahrheitet“, so Körper. „Der Deutsche Presserat hat insgesamt zur Qualität des Journalismus beigetragen.“
Kritische Töne zur bisherigen Ausführung gab es in dem Grundsatzreferat von Prof. Dr. Michael Kloepfer von der Humboldt-Universität Berlin unter dem Motto „Neue Wege für Presse und Datenschutz“. Kloepfer bemerkte zum Spannungsverhältnis der zwei Verfassungswerte Pressefreiheit auf der einen und Recht auf Datenschutz auf der anderen Seite, dass keiner dieser beiden Werte Vorrang habe und dass es Ziel sein müsse, für beide Werte einen möglichst großen Raum zu schaffen. In 20 Thesen kristallisierte er dabei vor allem die Kritik an der Zusammensetzung des Datenschutz-Beschwerdeausschusses und an dessen mangelnder Transparenz heraus. Aber auch Kloepfer sieht Vorteile des Presserats-Modells: „Mehr Akzeptanz und mehr Pressefreiheit.“ Er sah dabei nicht nur einen Freiheitsvorteil für die Presse, sondern die zusätzliche Chance der Betroffenen, neben gerichtlichem Rechtsschutz auch den Beschwerdeausschuss des Presserats anrufen zu können.
Über die konkrete Arbeit dieses Gremiums informierte Jörg Steinbach, Vorsitzender des Beschwerdeausschusses Redaktionsdatenschutz. Anhand ausgewählter Fälle aus der Beschwerdearbeit machte er deutlich, wie weit das Spektrum der Datenschutzbeschwerden in den ersten knapp drei Jahren dieses Ausschusses bereits reicht. „Datenschutz ist mittlerweile ein Qualitätsmerkmal für Zeitungen, das auch Vertrauen beim Leser schafft.“
Hans Peter Denecke, betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Axel Springer AG, verdeutlichte in seinem Referat „Technischer Umgang mit Personendaten – aber sicher“, dass dieses Vertrauen auch in technischer Hinsicht gewisse Mindeststandards voraussetzt. „Den drei klassischen Schutzzielen Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit müssen sich auch die Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften verpflichtet fühlen.“
Impulse aus Sicht der Evaluationsforschung gab Dr. Uwe Kleinemas vom Zentrum für Evaluation und Methoden der Universität Bonn. Er betrachtete die Freiwillige Selbstkontrolle als einen dynamischen Prozess, bei dem zu Beginn naturgemäß Erfolgskriterien wie Akzeptanz und Sensibilität im Vordergrund stehen. Für eine wissenschaftlich fundierte Erfolgsbewertung sei es noch zu früh. In die Zukunft blickend sah Kleinemas es als erforderlich an, dass in den Redaktionen das Qualitätsbewusstsein wachsen müsse. „Es ist immerhin eine Überlegung wert, ob eine Zeitung ein überzeugendes Profil beim Redaktionsdatenschutz nicht potentiell auch in eine gesteigerte Leser-Blatt-Bindung umwandeln könnte.“
Dies nahm die abschließende Podiumsdiskussion unter Leitung von Martin W. Huff, Chefredakteur der NJW, auf. Es diskutierten neben Professor Kloepfer und dem Presseratsmitglied von Bismarck auch die beiden stellvertretenden Chefredakteure Joachim Frank vom Kölner Stadt-Anzeiger und Joachim Widmann von der NetZeitung über den Redaktionsdatenschutz als „Lästige Notwendigkeit oder Qualitätsmerkmal?“ Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, und Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, rundeten das Podium ab. Konsens bestand in dieser Runde darüber, dass die Akzeptanz der Selbstkontrolle in der eigenen Branche hoch eingeschätzt werde und nicht allein an rechtlicher Durchsetzbarkeit fastgemacht werden könne. Bettin wies darauf hin: „Ethisches Bewusstsein kann nicht per Gesetz verordnet werden.“ Und auch Garstka betonte: „Datenschutz und Pressefreiheit sind keine Gegensätze, sondern Notwendigkeiten, bei denen wir zu einer Einigung kommen müssen.“ Fazit der Runde: „Datenschutz ist ein notwendiges Qualitätsmerkmal für die Presse.“
Die Veranstaltung hat einen Erfahrungsaustausch der unterschiedlichen Interessensgruppen – von betrieblichen Datenschutzbeauftragten über Politiker zu Journalisten, Verlegern und Informatikern – auf konstruktive Art fortgesetzt. Die Anregungen will der Presserat aufgreifen, um die Aufgabe der Selbstregulierung im Bereich des Redaktionsdatenschutzes zukünftig noch effektiver wahrzunehmen.