Beschwerde von Clement gegen SPIEGEL zurückgewiesen
Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats hat in seiner Sitzung am 16. Mai 2000 eine öffentliche Rüge gegen die Berliner Tageszeitung B.Z. ausgesprochen. Das Boulevardblatt hatte am 30. Oktober vergangenen Jahres unter den Überschriften "Liebes-Selbstmord im Supermarkt" und "Schuldgefühle wegen Ehebruchs - Filialleiter erhängte sich im Supermarkt" über den Freitod eines 35-jährigen Mannes berichtet. Dabei wurden die Adresse des Arbeitsplatzes und der Vorname des Toten genannt. Außerdem wurde er auf einer Fotografie gezeigt. Nach Ansicht des Deutschen Presserats verstößt die B.Z. damit eindeutig gegen Ziffer 8 der Publizistischen Grundsätze, in der es heißt: "Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen." In Richtlinie 8.4 wird festgeschrieben, dass bei der Berichterstattung über Selbsttötung besondere Zurückhaltung geboten ist.
Der Beschwerdeausschuss sprach insgesamt acht Missbilligungen aus. Unter anderem wurde der Artikel einer Tageszeitung missbilligt, die sich kritisch mit den Reisen von Papst Johannes Paul II. befasst. Darin heißt es u. a., der schwerkranke Papst handele "im Angesicht des Todes". Diese Aussage verletzt nach Überzeugung des Presserats Ziffer 1 des Kodex. Er gebietet die Achtung vor der Würde des Menschen. Journalisten stehe es nicht zu, öffentlich Prognosen über die Lebensdauer es kranken Menschen abzugeben, heißt es in der Begründung zu der Entscheidung.
Eine öffentlich bekannt gewordene Beschwerde des Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement gegen das Magazin DER SPIEGEL wegen angeblich unlauterer Recherchemethoden im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die sog. "Flugaffäre" wies der Ausschuss als unbegründet ab. Clement hatte dem Magazin unter Berufung auf Aussagen eines Zeugen im Untersuchungsausschuss zur "Flugaffäre" vorgeworfen, es habe einer Informantin ein Erfolgshonorar für den Fall zugesichert, dass er, Clement, und sein Amtsvorgänger, Bundespräsident Johannes Rau, aufgrund der Information "geschasst" würden". Die Prüfung des Ausschusses ergab keinen Beleg für den erhobenen Vorwurf. Einen Verstoß gegen den Pressekodex konnte der Ausschuss nicht feststellen.
Bei der Prüfung einer ebenfalls öffentlich erörterten Beschwerde des ehemaligen Nordrhein-Westfälischen Finanzministers Heinz Schleußer gegen das Magazin FOCUS stellte der Beschwerdeausschuss keinen Verstoß gegen die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung fest. Er missbilligte jedoch in einem Fall die Praxis der Redaktion, bei der Korrektur eines selbsterkannten Fehlers. Es war nach Ansicht es Ausschusses im konkreten Fall nicht ausreichend, das als unrichtig erkannte Detail in der nächstfolgenden Berichterstattung zum selben Thema nicht zu wiederholen. Für Leser war die Korrektur auf diese Weise möglicherweise nicht eindeutig. Für den Leser muss nach Richtlinie 3.1 erkennbar sein, dass "eine" vorangegangene Meldung ganz oder zum Teil unrichtig war.
In einem dritten öffentlich erörterten Fall missbilligte der Presserat die Berichterstattung der Bremer Ausgabe von BILD. Die Zeitung hatte in einem Artikel über einen angeblichen Missbrauch von Polizeigewalt gegen einen Bürger behauptet, "Die Polizei schlug wieder zu". Die Prüfung durch den Ausschuss ergab, dass es sich bei dem Vorgang nicht um einen Wiederholungsfall handelte. Dabei legte der Beschwerdeausschuss Ziffer 2 des Pressekodex zugrunde. Darin heißt es: "Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen."