Abdruck von Mohammed-Karikaturen verstößt nicht gegen Kodex
Die Beschwerdekammer 1 des Deutschen Presserats hat sich auf ihrer Sitzung am 01.03.2006 in Bonn mit Beschwerden über die Veröffentlichung so genannter Mohammed-Karikaturen in der Zeitung DIE WELT befasst. Dabei kam der Presserat zu dem Ergebnis, dass diese Veröffentlichungen im Einklang mit dem Pressekodex stehen.
Die Zeitung hatte über Anlass, Hintergründe und Folgen des Karikaturenstreits um die dänische Zeitung JYLLANDS POSTEN berichtet. In diesem Zusammenhang hatte DIE WELT auch mehrere der in Dänemark erstmals publizierten Karikaturen veröffentlicht. Sie hatten unter Muslimen weltweit zum Teil scharfe Kritik ausgelöst, die im Einzelfall in gewalttätige Proteste umgeschlagen waren.
Aus Sicht der Beschwerdeführer beleidigen die Karikaturen die Religionsgemeinschaft der Muslime. Das Format, in dem die Karikaturen abgedruckt wurden, überschreite das für eine Dokumentation vertretbare Maß. In einem Kommentar werde der Religionsstifter beschimpft. Die Muslime würden damit gekränkt. Insgesamt verletze die Veröffentlichung Ziffer 10 des Pressekodex. Darin heißt es:
Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können, sind mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren.
Die angegriffene Veröffentlichung in Wort und Bild verletzt die im Pressekodex gezogenen Grenzen nach Überzeugung des Presserats nicht. Die bildlichen Darstellungen greifen das zeitgeschichtlich aktuelle Thema „religiös begründete Gewalt“ mit den für Karikaturen typischen Mitteln auf. Dabei werden weder die Religionsgemeinschaft, noch ihr Stifter und ihre Mitglieder geschmäht oder allgemein herabgesetzt. Auch Religionsgemeinschaften und ihre Mitglieder müssen Kritik – auch scharfe – ertragen. Die Beschwerdekammer betont, dass es Grenzen auch für Satire und Karikaturen gibt. Sie sind allerdings weit zu ziehen. Im vorliegenden Fall wird diese Grenze nicht überschritten.
Wegen eines Sorgfaltspflichtverstoßes wurde der EXPRESS (Köln) öffentlich gerügt. Die Zeitung hatte über den Tod einer 49-jährigen Frau sowie über Gutachten eines medizinischen Dienstes berichtet, der eine Einstufung der Frau in Pflegestufe 2 abgelehnt hatte. Die Darstellung erweckte den Eindruck, die Gutachten stünden in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Tod der Frau. Ein solcher Zusammenhang war aus Sicht der Beschwerdekammer nicht durch Tatsachen begründet. Die Veröffentlichung verstieß damit gegen Ziffer 2 des Pressekodex:
Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Dokumente müssen sinngetreu wiedergegeben werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.[...]
Die Pflicht zur Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung verletzte die Zeitschrift HEALTH & SALES. Sie hatte Unternehmen das Angebot gemacht, Eigenwerbung in redaktioneller Form zu kaufen. Das verstößt gegen Ziffer 7 Pressekodex. Danach muss redaktionelle Berichterstattung frei von finanziellen Gegenleistungen erfolgen:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Eine weitere öffentliche Rüge erhielt die THÜRINGER ALLGEMEINE wegen eines Verstoßes gegen die Ziffern 1, 2 und 9. In der Berichterstattung über einen Missbrauchsprozess hatte sie schwere Vorwürfe gegen öffentliche Einrichtungen und deren Mitarbeiter erhoben oder sie in den Verdacht schweren Fehlverhaltens gerückt. Das wurde jedoch nicht hinreichend durch Tatsachen untermauert. In den Ziffern 1 und 2 sind das Wahrheitsgebot und die Sorgfaltspflichten der Journalisten verankert. Ziffer 9 verbietet ehrverletzende Behauptungen:
Es widerspricht journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen.
Insgesamt hat die Kammer 46 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den drei öffentlichen Rügen fünf Missbilligungen und 13 Hinweise ausgesprochen. In zwei Fällen war die Beschwerde begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Zeitung den Fehler eingesehen und von sich aus in Ordnung gebracht hatte. 17 Beschwerden wurden als unbegründet zurückgewiesen.