Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Übertreibung

Ein Journalist und zwei Ärzte beschweren sich beim Deutschen Presserat über die Berichterstattung zweier Zeitungen zu einem Attentat auf einen Bundesminister. So verletze die Schlagzeile einer Boulevardzeitung das Gebot der Zurückhaltung und diene der Sensationsmache ohne Rücksicht auf die Gefühle der Angehörigen. Die Überschrift nennt den Namen des Ministers und fragt: »Halbes Gesicht weg?«. Die Beschwerdeführer beanstanden auch Überschriften in der Folgeberichterstattung. Die eine Zeitung schreibt: »Der Attentäter grinst frech«, die andere: »Der Attentäter - Er grinst auch noch«. Beide Titel seien eine Vorverurteilung. Die Darstellung schließe ein faires rechtsstaatliches Verfahren aus, provoziere beim Leser die Haltung: Kurzen Prozess machen. In einem weiteren Bericht befasst sich die Boulevardzeitung u. a. mit der Frage, ob die Rettungsmaßnahmen nach dem Attentat korrekt verlaufen sind. Die Schlagzeile lautete: »Hubschrauber verflog sich - Ärztin musste ... selber fahren«. Diese Schlagzeile entspreche nicht den Tatsachen. Eine der beiden Zeitungen zählt schließlich die Fehler und Pannen der Rettungsdienste auf. Zitiert wird ein Arzt und Nachbar des Ministers, der u. a. »heftige Kritik« an der »Irrfahrt« der Notärzte übt. Die Notärzte sehen sämtliche Tatsachen verdreht. Es werde der Eindruck erweckt, bei der Erstversorgung seien Dilettanten am Werk gewesen, die für mögliche Spätschäden verantwortlich seien.

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Gestelltes Foto

Unter der Überschrift »1500 neue Jobs 10 Prozent mehr Umsatz - 23000 Autos mehr gebaut - Hurra, wir von ... sind auf Zack!« berichtet eine Boulevardzeitung, der Vorstandsvorsitzende der (namentlich genannten) Automobilfirma habe eine »Super-Bilanz« für das vergangene Jahr vorgelegt. Es scheine, im laufenden Jahr werde es noch besser. Die Mitarbeiter hätten gejubelt: »Hurra, wir von ... sind auf Zack!« Den Bericht illustriert ein Foto, das jubelnde Mitarbeiter des Autoherstellers zeigt. Die Bildunterzeile berichtet, die Mitarbeiter »jubelten, als sie gestern die stolzen Zahlen hörten«. Das Zitat wird wiederholt. Einzelne Mitarbeiter aus der Fertigung werden zusätzlich abgebildet, sie werden mit positiven Äußerungen über die Firma zitiert Ein Betriebsratsmitglied beschwert sich beim Deutschen Presserat. Bildunterschrift und einige Zitate seien frei erfunden. Die Mitarbeiter hätten nicht zur Bekanntgabe der Firmenbilanz, sondern anlässlich der Übertragung eines Fußball-WM-Spiels vor einem Fernseher gejubelt. Die Zeitung bestätigt, dass das Foto in der Halbzeit einer WM-Übertragung aufgenommen worden sei. Das Fußballspiel sei aber so schlecht gewesen, dass kein Anlass zum Jubeln gewesen sei.

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Begriff »Juden«

Eine Tageszeitung berichtet über eine Kampagne der rechtsextremen israelischen Kach-Partei, mit der die in Israel beschäftigten Palästinenser von ihren Arbeitsplätzen vertrieben werden sollen. Der Beitrag erscheint unter der Überschrift »Juden starten Kampagne gegen Palästinenser«. Ein Leser des Blattes wendet sich an den Deutschen Presserat. Die undifferenzierte Benutzung des Wortes»Juden« in der Überschrift stehe in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit der Nachricht im Text. Die Redaktion sieht die Nachricht weder sinnentstellt noch verfälscht, räumt aber ein, dass beim flüchtigen Leser dieser Eindruck entstehen könne. Der Begriff »Juden« meine nicht allein Religionszugehörigkeit, sondern erfasse die ethnische und geographische Bestimmung von Volk und Staat Israel.

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Falsche Tatsachenbehauptung

Unter der Überschrift »Blutiger Streit im Roma-Milieu - Mordversuch mit dem Messer« berichtet eine Lokalzeitung über den Prozess gegen eine Hausfrau, »Angehörige der Roma«, die versucht haben soll, einen Landsmann mit Messerstichen zu töten. Das Gericht sehe »in jedem Fall eher einen Totschlagversuch«. Hintergrund der Bluttat seien Zwistigkeiten innerhalb der Roma-Gruppe. Ein Leser sieht in dem Bericht eine Vorverurteilung. Außerdem sei der Hinweis auf das »Roma-Milieu« diskriminierend. Den Hinweis auf das »Roma-Milieu« sieht die Redaktion dagegen als einen unverzichtbaren Bestandteil der Berichterstattung.

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Zitat

Eine Tageszeitung berichtet unter der Überschrift »Ausländer dealen, Deutsche werden süchtig« über den Drogenumschlag in einer westdeutschen Großstadt und die Arbeit des dortigen Rauschgiftkommissariats. Es wird berichtet, vor allem Kurden, Türken, Jugoslawen und Italiener handelten mit Heroin. Im Kokaingeschäft seien »hauptsächlich« Südamerikaner und »auch einige Deutsche« tätig. Der Straßenhandel sei »in der Hand« der Schwarzafrikaner. Das »Haschisch-Monopol« liege bei Marokkanern und Algeriern. Der Leiter des Rauschgiftkommissariats wird mit der Aussage zitiert: »Ausländer dealen, Deutsche konsumieren«. Weiter wird berichtet, steigende Brutalität »besonders bei den Jugoslawen« mache die Arbeit von V-Männern gefährlich. Zwei andere Tageszeitungen berichten über den gleichen Sachverhalt. Auch sie teilen mit, dass sich die polizeilichen Ermittlungen gegen bestimmte, von den Zeitungen auch im einzelnen aufgezählte ausländische Händler richteten. Dazu die zweite Zeitung wörtlich: »Wenn die Erkenntnisse der Polizei die Realität widerspiegeln, dann spielen deutsche Dealer in dieser Sparte des organisierten Verbrechens kaum eine Rolle.« Die dritte Zeitung zitiert ebenfalls den Leiter des Rauschgiftkommissariats: »Allerdings habe der Spruch >Die Ausländer handeln, die Deutschen konsumieren inzwischen nicht mehr die absolute Gültigkeit ... Heimische Zuhälter engagierten sich in verstärktem Maße im Kokainhandel.« Ein Leser beschwert sich beim Deutschen Presserat über die Berichterstattung der erstzitierten Zeitung. Sein Argument: Ausländer werden pauschal diskriminiert, der Leiter des Rauschgiftkommissariats falsch zitiert.

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Persönliches

In einem Editorial unter der Überschrift »Sie haben ein Recht auf Wahrheit... « berichtet der Chefredakteur und Herausgeber einer Zeitschrift über eine Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Mitarbeiter. Unter Nennung des Namens wird über undurchsichtige Buchhaltung und Krankheiten des Mitarbeiters berichtet, werden chaotische Familienverhältnisse beschrieben, wird von einem »Persönlichkeitsdefekt« gesprochen. Der Beitrag endet mit der Empfehlung, der Mann möge sein Leben endlich auf Kreativität und Leistung statt auf Eitelkeit und Publicity, Lüge und Betrug aufbauen. Zwei Leser des Blattes beschweren sich beim Deutschen Presserat. Sie sehen den Betroffenen verunglimpft und in der Ehre verletzt. Der Verfasser des Editorials sieht durch das private Verhalten des Mannes öffentliches Interesse berührt, da er mit der Behauptung, er sei Ufo-Kontaktperson, in diversen Seminaren gutgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche ziehe. Vor ihm müsse gewarnt werden.

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Wahlanzeigen

Eine Tageszeitung veröffentlicht an zwei Tagen Wahlanzeigen zweier Parteien, die unter Hinweis auf die Krise am Golf mit dem Aufruf »Sagt nein« Soldaten der Bundeswehr auffordern, jede Vorbereitung und Mithilfe am Krieg zu verweigern. In der Anzeige der einen Partei heißt es wörtlich: »Wenn ihr den Befehl bekommt, in einen Krieg irgendwo auf der Welt zu gehen, dann sagt nein und begeht Fahnenflucht«. Ein Flugblatt dieser Partei, das diesen Satz ebenfalls enthält, führt zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft wegen öffentlicher Aufforderung zur Fahnenflucht. Der Verein Bürger Fragen Journalisten legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Er hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anzeigen, denn sie rufen inhaltlich zur Begehung einer Straftat auf. Die Zeitung hält entgegen, sie sei zur Zensierung der Wahlanzeigen, die als solche gekennzeichnet seien, nicht berechtigt.

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Werbung

Eine Lokalzeitung arbeitet »seit Jahren« mit einer örtlichen Bierbrauerei zusammen: Die Fußballmannschaft, die in einer Saison am längsten ungeschlagen bleibt, erhält zum Lohn ein 100-Liter-Faß. Darüber wird auch berichtet. In Wort und Bild. Und der Name der Brauerei wird genannt. Die Chefredaktion eines Konkurrenzblattes ärgert sich darüber und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Beitrag enthalte Produktwerbung. Die Betroffenen sehen das ein. Die Redaktion wird angewiesen, den Namen der Brauerei nicht mehr zu nennen.

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Überschrift

Eine Tageszeitung interviewt den Chef des Bundeskriminalamtes mit Fragen über Terrorismus, organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität und die spezielle Berliner Situation nach Öffnung der innerdeutschen Grenzen. U. a. meint der BKA-Präsident, der explosionsartige Anstieg der Ausländerkriminalität in Berlin gebe den rechtsextremistischen Kreisen eine gute Argumentationsbasis. Das Interview ist mit der Überschrift versehen: »Ausländer-Kriminalität in Berlin nimmt bedrohliche Ausmaße an«., Ein ausländischer Bürger der Stadt Berlin beschwert sich beim Deutschen Presserat. Obwohl neben anderen Themen im Interview nur an einer Stelle von Ausländern die Rede sei, hebe die Zeitung das Thema Ausländerkriminalität unglücklich in die Überschrift. Die Presse habe angesichts der schwierigen politischen und gesellschaftlichen Situation die wichtige Aufgabe, zur Verständigung zwischen den verschiedenartigen Menschen beizusteuern. Die Redaktion erklärt dazu, mit der gerafften Kernaussage habe sie ihr Auswahlermessen im Rahmen ihres publizistischen Auftrags und journalistischer Sorgfalt korrekt ausgeübt.

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Namensnennung

Eine Lokalzeitung berichtet über den Prozess gegen den »Bürokaufmann Harald O. (39)«, der seine Lebensgefährtin »Karin H. (36)« mit einer Weinflasche erschlagen habe. Auch der Tatort wird beschrieben: Der Name der Straße wird genannt, in der sich die Wohnung befindet, in der die Leiche gefunden wurde. Ein Leser hält die Beteiligten trotz der abgekürzten Namensnennung in Verbindung mit der Adressenangabe für identifizierbar. Die Redaktion bedauert, wenn eine Identifizierung des Angeklagten möglich gewesen sein sollte. Die Mitarbeiter der Redaktion werden hausintern angehalten, bei der Gerichtsberichterstattung die publizistischen Grundsätze zu beachten.

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