Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet in großer Aufmachung, dass ein 31jähriger Mann – als Fotograf getarnt – vom Rathausturm gesprungen sei. In dem Artikel heißt es, der verzweifelte Selbstmörder habe keinen Ausweg mehr gesehen, weil seine Frau sich habe scheiden lassen wollen. Beigestellt ist dem Beitrag ein Foto, das die zugedeckte Leiche des Mannes zeigt. Ein Leser des Blattes moniert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass die Zeitung die gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbstmorde missachtet habe. Die Würde des Selbstmörders werde in dieser Darstellung nicht gewahrt. Dies sei um so bedauerlicher, als die Zeitung ein Jahr zuvor in ähnlicher Sache bereits nicht-öffentlich gerügt worden sei. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass sie im Vorfeld der Berichterstattung bei mehreren engen Freunden des Toten recherchiert und dabei erfahren habe, dass es vermutlich aus Anlass der bevorstehenden Scheidung zu der Tat gekommen sei. Die zuständige Polizeidirektion habe bestätigt, dass auch ihre Erkenntnisse in diese Richtung gingen. Die Chefredaktion kritisiert, dass der Beschwerdeführer mit dem Toten nichts zu tun habe. Nach ihrer Ansicht versuche hier ein Dritter ohne jeglichen Bezug zu der Berichterstattung, seine publizistischen Vorstellungen über den Presserat gegen die Redaktion der Zeitung durchzusetzen. Die Berichterstattung befasse sich mit einem Geschehnis der Zeitgeschichte. Der Selbstmörder habe versucht, die größtmögliche Aufmerksamkeit auf seine Tat zu lenken. Er habe sich als Journalist ausgegeben, unter Hinweis auf beabsichtigte Fotoaufnahmen die Pressestelle des Rathauses aufgesucht und sich von deren Mitarbeitern zur Aussichtsplattform des Rathausturms begleiten lassen. Dann habe er sich in die Tiefe gestürzt. Dies sei ein Vorgang, über den – auch fotografisch – berichtet werden dürfe. Dabei habe die Zeitung den Vorgang anonymisiert. Auch auf dem Foto sei der Betroffene nicht identifizierbar. (2003)
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Unter der Überschrift „BKA entlarvt ‚Feierabend-Terroristen‘“ berichtet die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins, Fahndern seien die Anführer einer linksextremistischen Vereinigung ins Netz gegangen. Die vier Männer im Alter zwischen 30 und 49 werden mit Vornamen und abgekürzten Familiennamen genannt. Sie arbeiteten unter anderem als Taxifahrer sowie als Mitarbeiter eines alternativen Bäckerei-Kollektivs in Berlin. Die Aktivisten der „Militanten Gruppe“ seien eine Art Feierabend-Terroristen, wird ein Ermittler zitiert. Das BKA schließe derzeit nicht aus, dass die Untergrund-Gruppe, die vorwiegend im Großraum Berlin Finanzämter, Justizgebäude und Autohäuser mit Brandsätzen angegriffen habe, über noch weitere Mitglieder verfüge. Einer der mutmaßlichen Terroristen habe, unbemerkt vom BKA-Observationsteam, im Oktober 2002 mit seiner Familie in einem italienischen Restaurant in Berlin am Nebentisch von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen Frau Doris gesessen. Schröder habe sich auf Wunsch des Schwiegervaters des mutmaßlichen Terroristen zu der jungen Familie gesetzt und sich mit deren Baby fotografieren lassen. Das BKA habe von dem Vorfall erst durch abgehörte Telefonate erfahren. Die vier betroffenen Männer sind der Ansicht, dass die Veröffentlichung gegen ihr Persönlichkeitsrecht verstößt, und legen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Durch die Nennung von Vornamen und Initialen der Nachnamen, die Angabe des Wohnortes und die Aufzählung ihrer Berufe seien sie für einen begrenzten Personenkreis identifizierbar. Die Bezeichnung „Feierabend-Terroristen“ stelle eine Vorverurteilung dar. Außerdem kritisieren die Beschwerdeführer eine Verletzung der Sorgfaltspflicht. Der Artikel suggeriere, sie seien festgenommen worden, was jedoch nicht der Fall sei. Die Rechtsvertretung des Nachrichtenmagazins verweist auf ein Interview, dass einer der Beschwerdeführer im Fernsehen gegeben habe. Er habe sich und seinen Fall damit wirksam an die Öffentlichkeit getragen. Dabei sei er voll im Bild gezeigt und ohne Namensnennung als „Pressereferent einer Menschenrechtsgruppe“ bezeichnet worden. Wenn jemand dadurch so bekannt sei wie er, dürfe er nach einer Entscheidung des Presserats im Fall B 103/2000 grundsätzlich auch genannt werden. Schon wegen des Interviews handele es sich hier um einen Vorgang der Zeitgeschichte. Nur durch die Nennung ihrer Vornamen und der Initialen ihrer Nachnamen seien die Betroffenen jedoch für einen größeren Personenkreis nicht identifizierbar. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdegegner auf den Fall B 57/1997, in dem der Presserat festgestellt habe, dass mit den hier vorgenommenen Abkürzungen hinreichend anonymisiert werde. Den Vorwurf der Vorverurteilung weist die Rechtsvertretung zurück. Es handele sich hier vielmehr um eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Schließlich werde erwähnt, dass ein Ermittlungsverfahren laufe. Somit werde dem Leser klar, dass noch hieb- und stichfeste Beweise fehlen. (2003)
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Unter der Überschrift „Mordprozess gegen junge Sinti kommt nur schleppend voran“ berichtet eine Regionalzeitung über einen Mordprozess. In der Überschrift wird die Ethnie der Angeklagten genannt. Im Text taucht diese dann nochmals auf: “Alle Angeklagten gehören zu einer weit verzweigten Sinti-Familie und sind deutsche Staatsbürger“. Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex als gegeben an, da die Tat nichts mit der Minderheit der Sinti und Roma zu tun habe, sondern ausschließlich individuell motiviert sei. Durch die Nennung der Minderheitenzugehörigkeit solle ein Sachzusammenhang zwischen Minderheiten der Sinti und Roma und der Tat hergestellt werden. Nach Meinung des Verbandes sei es das Ziel dieses Artikels, die gesamte Minderheit der Sinti und Roma zu diskriminieren und zu kriminalisieren. In der Stellungnahme der Chefredaktion der Zeitung heißt es, die Zugehörigkeit der Angeklagten zur Bevölkerungsgruppe der Sinti habe in diesem Fall sehr wohl eine Rolle gespielt. Die Polizei habe Hinweise darauf gehabt, dass etwa 500 Angehörige dieser Gruppe sich Zutritt zum Gerichtssaal hätten verschaffen wollen. Damit habe auch der Landgerichtspräsident das hohe Polizeiaufkommen im Gericht und im Umkreis des Gerichtsgebäudes begründet. Auch die Agentur-Meldung zu dem Prozess habe die Minderheit genannt. Die Redaktion habe keine Veranlassung gehabt, die Agenturmeldung zu neutralisieren oder eigene Recherchen anzustellen. Zudem verweist die Chefredaktion auf die Urteilsverkündung, bei der es im Gerichtssaal zu Tumulten gekommen seien, die von Verwandten und Bekannten der verurteilten Sinti ausgelöst worden seien. (2003)
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Unter der Überschrift „Tod und Gedächtnis“ berichtet eine Zeitschrift über den „neuen Umgang mit der Endlichkeit des Lebens“. In einer Passage ihres Beitrages beschreibt die Autorin die leidenschaftlichen Emotionen der Lebenden, die ihrem Schmerz Luft machen wollen. Zum Beispiel durch die Verschwendung von Geld. So seien sieben teure Todesanzeigen, die ein gutes Drittel der Seite einer Tageszeitung beanspruchen, einem Neunzehnjährigen gewidmet worden. Der frische Abiturient, Zivildienstleistende, Radfahrer und Hobbymusiker sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Dass er auf der Stelle tot war und nicht lange leiden musste, sei der Familie, die es in der Anzeige vermerke, ein Trost. Die Autorin nennt den vollen Namen des Verunglückten und kommentiert die Zahl der Todesanzeigen mit der Feststellung: „Hier wurde wahrhaftig Geld verbrannt.“ Die Mutter des Unfallopfers ruft den Deutschen Presserat an. Sie kritisiert, dass in dem Beitrag der Name ihres Sohnes genannt wird. Ferner sieht sie die Menschenwürde ihres Sohnes verletzt. Die Verarbeitung der Trauer von Familie, Arbeitgeber, Schule und Freunden werde als Geldverschwendung dargestellt. Die Hinterbliebenen fühlten sich dadurch verunglimpft und in ihren Gefühlen verletzt. Die Redaktion der Zeitschrift versichert, dass sie mit dem Beitrag das Andenken des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht habe schmähen wollen. Die Autorin habe nur neue Trauerrituale skizziert. Formulierungen wie „Geld verbrannt“ und „Verschwendung“ seien sicherlich sehr ungeschickt. In einem Brief an die Mutter des Unfallopfers habe die Redaktion dies eingeräumt und ihr Bedauern ausgedrückt. (2004)
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„Mordprozess gegen junge Sinti kommt nur schleppend voran“ überschreibt eine Nachrichtenagentur ihre Meldung über einen Mordprozess. In der Überschrift wird die Ethnie der Angeklagten genannt. Im Text taucht diese noch einmal auf: „Alle Angeklagten gehören zu einer weit verzweigten Sinti-Familie und sind deutsche Staatsbürger“. Der Verband Deutscher Sinti und Roma sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex als gegeben an, da die Tat nichts mit der Minderheit der Sinti und Roma zu tun habe, sondern ausschließlich individuell motiviert sei. Durch die Nennung der Minderheitenzugehörigkeit solle ein Sachzusammenhang zwischen Minderheiten der Sinti und Roma und der Tat hergestellt werden. Nach Meinung des Verbandes ist das Ziel dieser Meldung, die gesamte Minderheit der Sinti und Roma zu diskriminieren bzw. zu kriminalisieren. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Agentur teilt mit, die Redaktion habe es für richtig gehalten, auf den ungewöhnlichen Tatbestand hinzuweisen, dass die Angeklagten einer Familie angehörten. Die Agentur wollte damit jedoch keinesfalls eine ethnische Minderheit verunglimpfen. (2003)
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Eine Regionalzeitung teilt ihren Leserinnen und Lesern mit, die Staatsanwaltschaft ermittele auch gegen den Bruder des sogenannten „Satansmörders“ wegen des Vertriebs rechtsextremen Propagandamaterials. Der Betroffene sei wegen des gemeinsamen Vertriebs gleichen Materials mit seinem Bruder bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der Vater der beiden Brüder ist der Ansicht, dass durch die Berichterstattung sein Sohn an den Medienpranger gestellt und vorverurteilt werde. Er legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richteten sich gegen einen mindestens 20 Personen umfassenden Kreis. Sein Sohn werde dabei herausgegriffen, weil er der Bruder des sogen. „Satansmörders“ sei, dessen Straftat im Jahre 1993 begangen worden sei. Damit bediene sich die Zeitung eines Familienmitgliedes, um ein anderes erneut in die mediale Öffentlichkeit zu bringen. Dies bedeute Sippenhaftung und sei eine Dauerstigmatisierung. (2003)
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Eine Boulevardzeitung berichtet von neuen Ermittlungen gegen den Bruder des sogen. „Satansmörders“. Dabei gehe es um einen Verstoß gegen das Vereinsgesetz und Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Der Mann sei im Mai bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er Nazi-Propaganda vertrieben hatte. Der Vater der beiden Brüder ist der Ansicht, dass durch die Berichterstattung sein Sohn an den Medienpranger gestellt und vorverurteilt werde. Er legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richteten sich gegen einen mindestens 20 Personen umfassenden Kreis. Sein Sohn werde dabei herausgegriffen, weil er der Bruder des sogen. „Satansmörders“ sei, dessen Straftat im Jahre 1993 begangen worden sei. Damit bediene sich die Zeitung eines Familienmitgliedes, um ein anderes erneut in die mediale Öffentlichkeit zu bringen. Dies bedeute Sippenhaftung und sei eine Dauerstigmatisierung. (2003)
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Innerhalb einer Woche veröffentlicht eine überregionale Tageszeitung zwei Karikaturen. Die erste beschäftigt sich mit dem Widerstand der Rentner gegen die sie betreffenden Reformen. Ein Rentner begrüßt fünf andere zur Gründungsversammlung der gemeinsamen Selbsthilfeorganisation. Im Hintergrund hängt ein Transparent, das den mit einem Krückstock versehenen Stern der RAF zeigt und die Aufschrift Rentner-Armee-Fraktion trägt. Die zweite Karikatur zeigt eine Ehefrau, die nach einem Blick aus dem Fenster ihrem Mann zuruft, dass ihre Mutter kommt. „Der Terror rückt näher“, schallt es zurück. Ein Leser der Zeitung fragt den Deutschen Presserat, ob sich die ältere Generation eine solche Diffamierung gefallen lassen muss, ohne sich dagegen zur Wehr setzen zu können, ob hier die Pressefreiheit nicht über ein zumutbares Maß hinaus strapaziert werde. (2003)
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„Aussiedler steht wegen Mordes vor Gericht“ titelt eine Regionalzeitung. Sie berichtet über den Tod einer Frau und die Verhandlung vor Gericht. Der Ehemann der Toten ist wegen Mordes angeklagt. Ein Leser der Zeitung sieht eine Diskriminierung nach Ziffer 12 des Pressekodex, da die Nennung der Zugehörigkeit des Angeklagten zur Minderheit der Aussiedler ohne einen begründeten Sachzusammenhang erfolgt sei. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Der Chefredakteur der Zeitung verweist auf die diversen Stellungnahmen, die er dem Presserat „aufgrund der kampagnenartigen Beschwerden des unsäglichen Uwe T. aus L.“ habe zukommen lassen. Der Standpunkt, „den inzwischen auch die Redaktionen zahlreicher renommierter Zeitungen und Magazine teilen und in ihrer Berichterstattung und Kommentierung dementsprechend deutlich werden lassen“, sei völlig eindeutig. (2003)
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