Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Ethnische Herkunft spielt keine Rolle

„Familie ging auf Beutetour“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung online über Polizeieinsätze wegen Ladendiebstahls in einem Einkaufszentrum. In einem Fall sei dem Ladendetektiv eine Familie aufgefallen, die Waren eingesteckt habe. Die Personalien der Eltern – irakische Asylbewerber im Alter von 28 und 35 Jahren – seien von der Polizei aufgenommen wurden. Das Ehepaar und seine drei minderjährigen Kinder seien danach entlassen worden. Später seien dem Ladendetektiv – so berichtet die Zeitung weiter – zwei Männer aufgefallen, die Druckerpatronen im Wert von 700 Euro eingesteckt hätten. Dabei habe es sich um georgische Asylbewerber gehandelt, die ebenfalls nach Feststellung ihrer Personalien wieder auf freien Fuß gesetzt worden seien. Ein Leser der Zeitung hält die Nennung der Herkunft der mutmaßlichen Täter für ungerechtfertigt. Er vermutet eine Verletzung der Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Der Redaktionsleiter vertritt die Auffassung, dass die Erwähnung der Herkunft der mutmaßlichen Straftäter in diesen beiden Fällen gerechtfertigt sei. Dass irakische Asylbewerber auch ihre drei minderjährigen Kinder zum Stehlen animierten, sei zweifellos interessant und etwas anderes, als wenn Einheimische beim Stehlen erwischt worden wären. Das gleiche gelte für den Hinweis auf georgische Asylbewerber. Gerade in der Diskussion zum Thema „Lügenpresse“ halte es die Redaktion für richtig, solche Fälle nicht zu verschweigen. Die Polizeimeldungen würden auch über Facebook verbreitet, so dass die Herkunft der Straftäter ohnehin in der Öffentlichkeit bekannt sei.

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Angehörige unangemessen mit Unfall konfrontiert

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über den tödlichen Unfall eines Motorradfahrers. Zum Artikel gestellt ist eine Bilderstrecke. Die Fotos zeigen Rettungsarbeiten und den Abtransport des Verunglückten. Eine Leserin hält die gezeigten Abbildungen für pietätlos. Ihre Veröffentlichung lasse den Respekt vor der Familie des Toten vermissen. Die Rechtsvertretung der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die wiedergegebenen Abbildungen die Menschenwürde des Verstorbenen wahrten. Der Verunglückte selbst sei auf den Bildern nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Gezeigt werde lediglich der abgedeckte Leichnam. Ein Foto sei bewusst verpixelt worden, um jede Erkennbarkeit auszuschließen. Auch sei der Name des Motorradfahrers nicht genannt worden. Die Bilder verdeutlichten leidglich die Dimension des Unfalls und die Gefahren des Motorradfahrens. Dass Freunden und Nachbarn bekannt sei, wessen verdeckte Leiche auf den Fotos abgebildet sei, begründe keine Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Verstorbenen. An einem Motorradunfall mit tödlichen Folgen bestehe ein öffentliches Interesse. Daher habe die Zeitung in nicht identifizierender Weise berichten dürfen. Schließlich sieht die Rechtsvertretung in der Veröffentlichung keine unangemessen sensationelle Darstellung von Leid. Der Autorin des Beitrags sei es nur darum gegangen, die Nutzer umfassend über die Dimension des Unfalls und seine tragischen Folgen zu informieren.

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Radfahrer grundsätzlich schlecht dargestellt?

„Rennradfahrer rast Fußgänger tot – so lautet das Urteil“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Prozess gegen einen Rennradfahrer, der einen Fußgänger angefahren hatte. Dieser war an seinen schweren Verletzungen gestorben. Im Beitrag wird dem Fußgänger eine Teilschuld an dem Unfall zugeschrieben. Er habe gerade mit einem Handy telefoniert, als sich der Zusammenstoß ereignet habe. Das Urteil: Eine Geldstrafe von 180 Euro an einen Fußgängerschutzverein und 200 Stunden gemeinnützige Arbeit. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der Beitrag wesentliche Fakten nicht richtig wiedergebe. So trage der Fußgänger nicht nur eine Teilschuld, sondern eine erhebliche Mitschuld an dem Unfall. Das Verfahren sei nicht am Landgericht – wie von der Zeitung dargestellt -, sondern am Amtsgericht geführt worden. Der Beschuldigte sei nicht verurteilt worden. Vielmehr sei das Verfahren gegen eine Leistung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden. Radsportler würden in der Berichterstattung grundsätzlich schlecht dargestellt. Er sieht die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt. Der Ausschussvorsitzende hat das Verfahren in der Vorprüfung auf die Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierung von Minderheiten) erweitert. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Die Bezeichnung „Rennradfahrer“ und „rasen“ stehe in einem begründbaren Sachbezug. Der Radfahrer sei zu schnell gefahren, um rechtzeitig stoppen zu können. Und dies, obwohl er den Fußgänger von weitem gesehen und ihn durch Rufen gewarnt habe.

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„Unglaubliche Übertreibung“

„Flugzeug rutscht von der Landebahn“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über einen Vorfall auf dem Nürnberger Flughafen. Die Dachzeile lautet: „Beinahe-Katastrophe in Nürnberg“. Im Artikel ist die Rede davon, dass der Flughafen nur knapp einer Katastrophe entgangen sei. Ein Leser der Zeitung weist in seiner Beschwerde darauf hin, dass die Darstellung falsch sei. Das Flugzeug sei nicht von der Landebahn, sondern lediglich vom Taxiway abgekommen. Die Formulierung „Beinahe-Katastrophe“ sei daher eine unglaubliche Übertreibung. Der Online-Chef berichtet von Recherchen der Redaktion. Danach sei der Zwischenfall exakt beim Abbiegen von der Landebahn auf den Taxiway und somit auf jeden Fall noch im Bereich der Landebahn passiert. Die Maschine sei auf unbefestigtem Terrain zum Stehen gekommen und mehrere Zentimeter tief in den Boden eingesunken. Bei der Verwendung des Begriffs „Beinahe-Katastrophe“ handele es sich um eine zulässige Wertung. Schon allein deshalb könne diese keine Rolle im Zusammenhang mit den Ziffern 1 und 2 des Pressekodex spielen. Die kritisierte Bezeichnung sei möglicherweise eine Zuspitzung. Er - der Redaktionsleiter Online – hält sie jedoch für vertretbar, zumal nach einem derartigen Zwischenfall immer auch ein anderer, weniger glimpflich endender Verlauf vorstellbar sei.

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Nackte Frau mit Werkzeuggürtel

„Mit diesen Werkzeugen hilft Frau sich selbst“ titelt eine Illustrierte. Im Beitrag geht es um Werkzeuge, die in jeden Haushalt gehören, damit Frauen kleinere Reparaturen selbst erledigen können. Zum Artikel ist ein Foto gestellt, das eine nackte Frau von hinten zeigt. „Bekleidet“ ist sie mit einem Werkzeuggürtel. In jeder Hand schwingt sie einen Akku-Schrauber. Zwei Leser üben an der Veröffentlichung Kritik. Inhalt und Foto passten nicht zusammen. Die Redaktion versuche, über ein nacktes Gesäß Interesse am Beitrag zu wecken. Die Dachzeile zum Artikel „Für weniger als 60 Euro“ suggeriere die Käuflichkeit dieser Frau. Die Überschrift von der Frau, die sich selbst helfe, lasse manchen Leser an ein Sex-Spielzeug denken. In Kombination mit dem Bild halten die Beschwerdeführer den Beitrag für diskriminierend. Formulierungen wie „Werkzeuge müssen besonders handlich und klein sein“ oder „Man müsse nicht für jeden Handgriff einen Mann fragen“ vermittelten ein Frauenbild, wie es in den fünfziger Jahren üblich gewesen sei. Die Zeitschrift hat die Berichterstattung inzwischen geändert. Auf dem neuen Foto schlägt eine Frau einen Nagel in eine Wand ein. Auch der Text wurde neu gefasst. Der Stellung nehmenden Chefredakteurin der Illustrierten ist nicht ganz klar, welche Ziffer des Pressekodex verletzt worden sein soll. Sicherlich sei das zuerst veröffentlichte Foto nicht jedermanns Geschmack. Deshalb sei es auch ausgetauscht worden. Den Vorwurf des Sexismus könne sie schon deshalb nicht nachvollziehen, weil sich der Beitrag ja gerade an Frauen wende. Niemand werde also zum Sexualobjekt einer männlichen Leserschaft gemacht. Selbst das wäre aber wohl keine Frage der Presseethik.

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„Wie sehr sich Simbas freuen können…“

Das deutsche Rugby-Meisterschaftsfinale zwischen Pforzheim und Heidelberg ist Thema in der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Der Berichterstatter schildert den Spielverlauf. Pforzheim gewinnt. Der Autor schreibt: „Wie sehr sich Simbas freuen können, wenn sie weiße Männer fertiggemacht haben, kennt man aus dem Filmklassiker ´Die Wildgänse kommen´, in dem Richard Harris und Hardy Krüger verhäckselt werden, Roger Moore und Richard Burton überleben nur knapp. Der Jubel auch der blasseren Pforzheimer war unermesslich.“ Sechs Leser der Zeitung beschweren sich beim Presserat über die Berichterstattung. Die Passage über die Hautfarbe zweier Spieler sei sowohl überflüssig als auch rassistisch. Die Siegesfreude farbiger Rugby-Spieler werde mit dem Massaker an Weißen in einem Spielfilm verglichen. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, dass auch in der Redaktion Entsetzen geherrscht habe über diese Art der Berichterstattung. Mit dem verantwortlichen Redakteur sei ausführlich diskutiert worden. Dieser habe beteuert, dass die fragliche Passage nicht rassistisch gemeint gewesen sei. Gedruckt und online habe sich die Redaktion – so der Chefredakteur – entschuldigt. Die Stellungnahme des Redakteurs sei in diversen Rugby-Foren gepostet worden. Der Chefredakteur schließt seine Stellungnahme mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Zeitung rassistische Texte und Anspielungen in jeglicher Form ablehne. Auch der Autor des Berichtes äußert sich. Er habe die beiden Spieler nicht beleidigen wollen. Diese hätten seinen Bericht auch nicht so aufgefasst. Mit einem der beiden habe er seit Jahren ein freundschaftliches Verhältnis. Ihn habe er aus seinem vom Bürgerkrieg zerstörten Land Zimbabwe nach Deutschland geholt und betreut.

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Frau fühlt sich an den Pranger gestellt

„Die Frau mit den Hunden: Leinen los“ titelt die Online-Ausgabe einer Lokalzeitung. Passage aus dem Bericht: „Eine Frau führt auf einem Feldweg ihre drei Hunde aus. Wild und frei toben und tollen sich die drei Vierbeiner hier aus. Ganz losgelöst die Leinen los.“ Die Zeitung stellt zum Bericht ein Foto der Frau. Diese beschwert sich beim Presserat, weil sie sich durch den Artikel diffamiert fühlt. Sie habe sich weder mit der Veröffentlichung des Artikels noch des Bildes einverstanden erklärt. Sie will, dass sich der verantwortliche Redakteur entschuldigt und den Artikel samt Bild aus dem Online-Angebot entfernt. Der Redaktionsleiter erklärt, die Begründung in der Beschwerde treffe nicht zu, weil es nicht um die Person, sondern den dargestellten authentischen Sachverhalt gehe. Die Presse habe Fakten und Faktisches zu berichten und keine Fakes und Fantasien. In der beigefügten Stellungnahme zur Ermittlungsakte trägt der beauftragte Rechtsanwalt vor, der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Sachverhalt sei im Wesentlichen richtig. Der Redakteur sei mit seinen Inlinern an der Beschwerdeführerin vorbeigefahren, die zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens nicht die Pflicht zum Anleinen ihrer Hunde beachtet habe. Er habe vermutet, dass möglicherweise auch andere Hundebesitzer nicht vom Leinenzwang wüssten. Deshalb habe er den Artikel geschrieben und auf die bestehende gesetzliche Regelung aufmerksam gemacht. Um das Interesse an dem Vorgang zu erhöhen, habe er dem Artikel ein Foto der Frau und ihrer Hunde beigefügt. Die Beschwerdeführerin sei nicht identifizierbar. Ihm – dem Redakteur – sei klar gewesen, dass jemand, der eine Ordnungswidrigkeit begehe, nicht möchte, dass das öffentlich wird. In Abwägung mit dem öffentlichen Interesse überwiege jedoch das Anliegen, die Bevölkerung auf den Leinenzwang hinzuweisen. Das Foto sei aus dem Online-Angebot entfernt worden, nachdem sich herausgestellt habe, dass die Hundebesitzerin trotz aller Maßnahmen doch erkennbar gewesen sei.

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Vernichtendes Urteil über Gemeinschaftsschule

Eine überregionale Zeitung beschäftigt sich gedruckt und online mit einer „Studie zur Gemeinschaftsschule“ – so die Dachzeile des Berichts. Nun sei ein vernichtendes Gutachten über die Gemeinschaftsschule bekannt geworden, das vom Kultusministerium Baden-Württemberg unter Verschluss gehalten werde, den Vermerk „nur intern verwenden“ trage und der Zeitung vorliege. Danach gelinge weder die neue Unterrichtsform des selbstständigen Lernens mit Lehrern als Lernbegleitern noch die besondere Förderung der schwächsten und stärksten Schüler. Auch die Leistungsbeurteilung sei der Zeitung zufolge mehr als fragwürdig. Bei der begutachteten Schule handele es sich nicht um irgendeine Gemeinschaftsschule, sondern um eine renommierte Einrichtung, die vom Kultusminister gern als beispielhaft bezeichnet werde. Ein Forscherteam der Pädagogischen Hochschule Heidelberg veröffentlicht eine Richtigstellung. Die dem Artikel zugrunde gelegten Fakten repräsentierten nicht den aktuellen Stand. Sie seien ausschließlich für den internen Gebrauch an Schulen vorgesehen gewesen und hätten aus datenschutzrechtlichen Gründen einen von der Forschergruppe angebrachten Vertraulichkeitsvermerk getragen. Die entsprechenden Berichte seien nie für das Ministerium vorgesehen gewesen und auch nicht dorthin weitergegeben worden. Einige Wochen später druckt die Zeitung eine Gegendarstellung des Kultusministeriums ab. Darin steht, dass das Ministerium kein Gutachten unter Verschluss halte. Ein solches liege der Behörde auch nicht vor. Die Beschwerdeführerin, Elternbeiratsvorsitzende einer der Gemeinschaftsschulen, kritisiert die Autorin des Artikels, die gegen pressethische Grundsätze verstoßen habe. Ein Bericht, im Artikel als „Gutachten“ bezeichnet, habe erkennbar schulinternen Zwecken gedient. Man müsse davon ausgehen, dass der Artikel auch in Zukunft von Gegnern der Schulform als Beleg für eine vermeintlich verfehlte Schulart herangezogen werde. Der Geschäftsführer und der Justiziar der Zeitung weisen den Vorwurf der Verletzung von presseethischen Grundsätzen zurück. Die beanstandete Berichterstattung sei inhaltlich zutreffend. Insgesamt könne man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es der Beschwerdeführerin nicht so sehr um die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht gehe. Ihr Motiv sei vielmehr eine Abrechnung mit der Verfasserin eines kritischen, ihr unliebsamen Berichts.

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Grenze zur Diskriminierung überschritten

„Heiko Maas will homosexuelle Justizopfer entschädigen“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins über den Vorschlag des Justizministers, Männer, die nach dem berüchtigten Paragraphen 175 verurteilt wurden, zu entschädigen. Unter dem Beitrag finden sich mehrere Kommentare wie etwa diese: „Wer entschädigt die Opfer, welche von diesen ´Unschuldslämmern´ missbraucht wurden? Also bitte auch dahingehend eine klare Aussage, Herr Maas“, „Zu dieser Zeit war das Recht und Gesetz. Wenn heute, wie beabsichtigt, Ladendiebstahl nicht mehr bestraft wird, sind dann alle verurteilten Ladendiebe Justizopfer und müssen entschädigt werden? Lächerlich.“ Schließlich diese Meinung: „Schwer vorstellbar, dass ein Nachfolger im Justizministerium verurteilte Pädophile in nicht allzu ferner Zukunft als Justizopfer sieht, weil sie nur ihrer Neigung folgten.“ Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der Inhalt des Kommentars und eines Leserbriefes den Regelungen zu „Beleidigungen und Schmähungen“ unterliege. Nach Ziffer 12 des Pressekodex dürften soziale Gruppen nicht diskriminiert werden. Richtlinie 2.6 besagt, dass die Redaktion bei der Veröffentlichung von Leserbriefen die ethischen Grundsätze beachten muss. Die von der Zeitschrift veröffentlichten Kommentare seien fast zur Hälfte Schmähschriften gegen Homosexuelle. Homosexualität werde dabei teilweise in die Nähe von Kindesmissbrauch gerückt. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe hält die Vorwürfe des Beschwerdeführers angesichts der großen Zahl von täglich etwa zehntausend veröffentlichten Kommentaren nicht für angemessen. Eine umfassende Prüfung jedes Kommentars vor der Freischaltung würde aufgrund des Zeitaufwandes den Charakter eines spontanen direkten Diskussionsforums gefährden. Im vorliegenden Fall seien im Rahmen der nachgelagerten Kontrolle bereits wenige Stunden nach der Veröffentlichung mehrere Kommentare gelöscht worden. Sicherlich müsse man die Tendenz mancher Kommentare nicht teilen. Man müsse und sollte solche Stimmen auch nicht von vornherein aus der öffentlichen Debatte entfernen. Es gehe hier nicht gegen Schwule, sondern gegen eine Entscheidung des Justizministers. Über solche rechtspolitischen Fragen müsse auch dann eine kontroverse Diskussion möglich sein, wenn sie ausschließlich Angehörige einer Minderheit beträfen.

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Trauer und Schmerz im öffentlichen Raum

Der Absturz eines Flugzeuges der EgyptAir ins Mittelmeer ist Thema in einer Regionalzeitung. Die ägyptische Regierung halte einen Anschlag für die wahrscheinliche Ursache. An Bord seien 66 Personen gewesen, darunter drei Kinder. Dem Beitrag ist ein Foto beigestellt, das drei trauernde Frauen zeigt. Die Bildunterschrift lautet: „Von der Nachricht geschockt: Angehörige von Passagieren an Bord der abgestürzten EgyptAir-Maschine haben gerade von dem Unglück erfahren“. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht gleich mehrere presseethische Grundsätze verletzt. In der Regel sei nach Richtlinie 8.4 des Pressekodex die Veröffentlichung von Fotos von Familienangehörigen der Opfer eines Unglücks unzulässig. Besonders schwerwiegend sei der Verstoß, weil die Angehörigen in einer sehr emotionalen Situation mit Sicherheit ohne ihre Einwilligung fotografiert worden seien. Das Foto ziele lediglich darauf ab, aus dem Leid der Angehörigen Profit zu schlagen. Diesen Vorwurf weist der Verleger, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung entschieden zurück. Die Redaktion habe sich für den Abdruck des Fotos entschieden, weil die Agentur, von der das Bild stamme, als seriös gelte. Man sei davon ausgegangen, dass die Agentur das Material geprüft und der Fotograf das Einverständnis der Abgebildeten eingeholt habe. Die Angehörigen seien weder herabgewürdigt noch aus voyeuristischen Zwecken zum bloßen Objekt degradiert worden. Das Foto selbst stelle eine größere Szenerie dar, in der einzelne Betroffene allenfalls für einen sehr eingeschränkten Personenkreis erkennbar seien. Die äußerlich am stärksten Trauernde habe die Hände vor das Gesicht geschlagen und werde daher auch nicht vorgeführt.

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