Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Der Artikel in einer Regionalzeitung unter der Überschrift „Von einer Frau, die die Seele von Tieren erspürt“ befasst sich mit einer Frau, die nebenberuflich als Tierhomöopathin arbeitet. Geschildert wird ihre Kommunikation mit Tieren, die der Zeitung zufolge durch Gestik, Mimik und die Kraft ihrer Gedanken stattfindet. Dann folgen von der Frau vorgetragene Beispiele, wie sie arbeitet und welche Erfolge sie bereits erzielt hat. Am Ende wird im Beitrag ein Hinweis auf ihre Website gegeben. Ein Leser der Zeitung hält die Berichterstattung für einen Fall von nicht gekennzeichneter Werbung bzw. Schleichwerbung. Der Hinweis auf die Website der Frau sei nicht von Interesse. Der Beschwerdeführer kritisiert auch, dass die Ausführungen der Frau zur Kontaktaufnahme mit Tieren als Fakten dargestellt würden. Es handele sich aber um Behauptungen, die der Artikel zu Tatsachen mache. Der Chefredakteur teilt mit, dass es sich bei dem Beitrag nicht um eine Anzeige handelt. Für die Veröffentlichung sei auch kein Geld geflossen. Der Artikel sei von öffentlichem Interesse. Auch der Autor des Beitrages nimmt Stellung. Er meint, beim Leser könne nicht der Eindruck entstehen, als handele es sich bei den veröffentlichten Darstellungen um anerkannte Fakten. Aus dem Artikel gehe klar hervor, dass es sich um Aussagen der Tierhomöopathin handele. Zur Veröffentlichung habe sich die Redaktion entschieden, weil die Arbeit der Frau einen gewissen Grad an Kuriosität erreiche. Die Grenze zur Schleichwerbung werde in dem Beitrag jedenfalls nicht überschritten.
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Eine Lokalzeitung berichtet über einen Allgemeinmediziner. Dieser habe sich auf Bitten einer Gemeinde, in der es an medizinischer Grundversorgung gemangelt habe, dort niedergelassen. Im Bericht heißt es weiter, der Mann sei vorbestraft und habe keine kassenärztliche Zulassung. Er wird als Sohn eines bekannten Politikers und Ärztekammerpräsidenten vorgestellt und sei „eine wahrhaft schillernde Persönlichkeit“. Der Mediziner habe in einer Großstadt einen Notrufdienst als allein verantwortlicher Geschäftsführer betrieben, bevor die Staatsanwaltschaft wegen erheblicher Unregelmäßigkeiten eingeschritten sei. Wegen 899 falschen Abrechnungen, in 26 Fällen kombiniert mit Körperverletzung sei der Mann später zu 34 Monaten Haft verurteilt worden. Der finanzielle Schaden – so die Zeitung weiter – habe 108.000 Euro betragen. Der Mediziner habe seine Strafe abgesessen. Auch das vierjährige Berufsverbot sei lange abgelaufen gewesen, bevor er sich bei der Gemeinde beworben habe. Er sei wegen Betrugs und Körperverletzung verurteilt. Dass er sich als Landarzt nicht nur um gesundheitliche Belange kümmern, sondern sich auch ein Stück weit als Kummerkasten der Nöte älterer Einwohner annehmen solle, bereite den Verantwortlichen offenbar keine größeren Bauchschmerzen. Der Arzt lässt sich von einem Anwalt vertreten. Aus seinem Führungszeugnis sei die Vorstrafe getilgt. Er dürfe daher nicht mehr als vorbestraft bezeichnet werden. Seine Approbation habe er schon vor Jahren zurückerhalten und arbeite seit Jahren als Arzt. Er erscheine im Artikel mehrfach mit vollem Namen. Zudem weise die Redaktion auf seinen familiären Hintergrund hin. Durch den Artikel sei die Existenz des Arztes praktisch vernichtet worden, als dieser gerade im Begriff war, diese wieder aufzubauen. Eine Rehabilitierung und Resozialisierung könne nicht gelingen, wenn dreizehn Jahre nach der Verurteilung, elf Jahre nach dem endgültigen Straferlass und zehn Jahre nach dem effektiven Verbüßen der Strafe in der Öffentlichkeit auf die Vorstrafe hingewiesen werde. Der Artikel sei eine „öffentliche Hinrichtung“. Der Autor des kritisierten Beitrags nimmt Stellung. Er habe sämtliche Grundsätze journalistischen Arbeitens eingehalten. In einem Fall wie diesem gehe es darum, Schaden von den Lesern abzuwenden. Daher sei diese Art der Berichterstattung absolut gerechtfertigt, wenn nicht sogar zwingend erforderlich. Dies auch vor dem Hintergrund, dass dieser Mediziner charakterlich offenbar wenig geeignet zu sein scheine, als Arzt zu arbeiten. Er begebe sich dabei offenbar immer in Grenzbereiche der Legalität. Der Beschwerdeführer habe auch offenbar „vergessen“, das zum Zeitpunkt seiner Beschwerde laufende Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt zu erwähnen. Dabei sei es um Abrechnungsbetrügereien gegangen, die das Gericht mit acht Monaten Haft ohne Bewährung geahndet habe.
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Eine Boulevardzeitung berichtet über einen fingierten Mord und teilt in diesem Zusammenhang mit, dass die „Leiche“ mit der Redaktion gesprochen habe. Um ihren Liebhaber loszuwerden, habe Leonie M. (40) mit ihrem Ehemann (42) auf einem Foto ihre eigene Ermordung inszeniert und das Bild dann per E-Mail an Horst F. (62) geschickt. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der im Text „Horst F.“ genannte Liebhaber. Er legt eine eidesstattliche Versicherung der im Text „Leonie M.“ genannten Frau vor. Darin versichert diese, sie habe sich nicht gegenüber der Zeitung in irgendeiner Art und Weise geäußert. Mitarbeiter der Redaktion hätten ihre Kontaktdaten laut eigener Aussage von Horst F. bekommen. Den Mitarbeitern habe Melanie M. lediglich mitgeteilt, dass das Verhältnis schon seit längerer Zeit beendet sei. Sie und ihr Mann hätten eine Strafanzeige gegen ihn – den Beschwerdeführer - wegen Stalkings gestellt. Weitergehende Angaben habe sie gegenüber der Zeitung nicht gemacht. Der Beschwerdeführer verweist auf die eidesstattliche Versicherung der Frau. Er gehe davon aus, dass es gegen den Pressekodex verstoße, Zitate zu verfälschen oder gar zu erfinden. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, das Ehepaar habe zwar zunächst ein Interview abgelehnt, dann aber doch Angaben zum Sachverhalt gemacht. Die Mitarbeiter der Redaktion hätten ein Gedächtnisprotokoll angefertigt. Daraus und aus der eidesstattlichen Versicherung gehe eindeutig hervor, dass die abgedruckten Zitate korrekt wiedergegeben worden seien. Die pauschale Behauptung des Beschwerdeführers, die Redaktion habe Zitate verfälscht oder erfunden, lasse sich an keiner Stelle seiner Argumentation und auch nicht mit der eidesstattlichen Versicherung belegen.
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Zwei Leser einer Regionalzeitung kritisieren diese, weil sie Leserbriefe mit der vollständigen Adresse der Einsender veröffentlicht. Diese Praxis verstoße gegen Ziffer 2, Richtlinie 2.6, Absatz 3, des Pressekodex. Darin ist geregelt, dass die Presse auf die Veröffentlichung der Einsender-Adresse verzichtet, es sei denn, die Veröffentlichung dient der Wahrung berechtigter Interessen. Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer mehrere Briefe an die Zeitung geschickt. Die Redaktion habe die Einsender telefonisch darauf hingewiesen, dass der Abdruck nur mit vollständiger Adresse möglich sei. Die Leserbriefautoren hätten daraufhin gebeten, dass ihre Einsendungen lediglich mit dem Namen veröffentlicht würden. Die Leserbriefe seien dann überhaupt nicht veröffentlicht worden. Einige Tage später hätten die beiden Beschwerdeführer einen Brief des Chefredakteurs erhalten. Dessen Kernaussage: Leserbriefe würden aufgrund einer internen Richtlinie der Redaktion grundsätzlich nur mit vollem Namen und Anschrift abgedruckt. Gegenvorschlag der Beschwerdeführer: Veröffentlichung der Briefe mit dem Namen und dem Hinweis „Anschrift der Redaktion bekannt“. Darauf habe der Chefredakteur nicht reagiert. Die Beschwerdeführer sehen in der Veröffentlichung der Adresse sowohl einen Verstoß gegen den Pressekodex als auch gegen geltende Datenschutzbestimmungen. Die Rechtsvertretung der Zeitung verweist auf die seit Jahren bestehende redaktionsinterne Regelung bei der Veröffentlichung von Leserbriefen, über die sich noch nie jemand beschwert habe. Diese sei den Lesern bekannt. Die Leserbriefautoren würden außerdem gebeten, ihre Einwilligung zum Abdruck der kompletten Adressangaben zu geben. Die Rechtsvertretung erläutert weiter, dass die Adressangaben der Glaubwürdigkeit und Authentizität dienen. Den Lesern solle verdeutlicht werden, dass es sich um echte Einsendungen handelt. Die Zeitung schöpfe den Ermessensspielraum aus, den die Ziffer 2, Richtlinie 2.6, ermögliche.
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Eine Zeitschrift berichtet unter der Überschrift „Wie die Wüste in die deutsche Provinz kommt“ über einen Vortragsreisenden, der Bildvorträge über seine Reisen in die Wüsten der Erde hält. Er tourt mit zwei Freunden, seinen „Roadies“, durch Deutschland. Die beiden werden namentlich genannt. Der Artikel enthält einige Begebenheiten, die sich auf den Reisen in die Wüste und während der Vortragsreisen ereignet haben. Im Beitrag steht die folgende Passage: „Thilo ist in der Nähe, liegt aber meistens backstage auf seiner Isomatte – gestaucht von der langen Fahrt und dem Aufbau. Seit einem Bandscheibenvorfall wird ein Bein taub, wenn er falsch anpackt.“ Der Artikel enthält auch zwei Fotos, die den „Roadie“ dabei zeigen, wie er auf einer Isomatte liegt und sich ausruht und wie er durch eine halb geöffnete Tür schaut. Einer der beiden „Roadies“ beschwert sich – vertreten durch einen Anwalt - über die Berichterstattung, die nach seiner Meinung sein Recht auf Datenschutz verletzt. Die Zeitschrift erwähne unter voller Namensnennung Details über körperliche Beeinträchtigungen. Sie drucke ein Foto, das ihn in einer sehr privaten, wenn nicht gar intimen Situation – sich ausruhend auf einer Isomatte – zeige. Darüber hinaus vermittle die Redaktion durch die Charakterisierung seiner Person einen falschen Eindruck von seiner aktuellen Lebenssituation sowie seiner körperlichen und beruflichen Leistungsfähigkeit. Der Beschwerdeführer betont, dass er weder zu der Veröffentlichung des Fotos noch zur Beschreibung seiner Person seine Einwilligung gegeben habe. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift teilt mit, dass der Autor des kritisierten Beitrages drei Tage lang mit den drei Vortragsreisenden im Auto unterwegs gewesen sei. Er habe mitgeschrieben und oft auch sein Bandgerät laufen lassen. Der Beschwerdeführer selbst habe zahlreiche Anekdoten beigesteuert, wohl wissend, dass das Ergebnis der dreitätigen Recherche eine Veröffentlichung sein würde. Gerade bei dem Foto, das den Beschwerdeführer auf einer Isomatte mit einem Handy zeige, habe der Fotograf diesen noch gebeten, das Telefon etwas höher zu halten, damit er mehr Licht ins Gesicht bekomme. Dem sei der Beschwerdeführer gern nachgekommen.
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Der Amoklauf eines Deutsch-Iraners in München ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Die Redaktion zeigt in einer Opfergalerie fünf gepixelte und vier kaum verfremdete Fotos der Tatopfer. Deren Namen kürzt die Zeitung in den meisten Fällen ab. Sie erzählt die Geschichten der Getöteten und schildert die Umstände ihres Todes. Ein Beschwerdeführer kritisiert eine Verletzung des Pressekodex. Durch die Veröffentlichung der Bilder sei der Opferschutz missachtet worden. Die Betroffenen seien kaum unkenntlich gemacht worden. Der Justiziar der Zeitung bezeichnet den Amoklauf von München als einen der schlimmsten in der deutschen Nachkriegsgeschichte. An der Tat und an dem Täter, aber auch an der Identität der Opfer, habe ein außergewöhnliches Informationsinteresse bestanden. Die Zeitung – so der Justiziar – habe sich an alle Regeln gehalten, die vom Pressekodex vorgegeben seien. Er zitiert den verantwortlichen Ressortleiter. Dieser teile mit, dass sich die Redaktion dazu entschlossen habe, der unfassbaren Tat ein Gesicht zu geben. Dies sei dadurch geschehen, dass man nicht nur den Täter gezeigt habe, sondern auch die jungen Leute, die der psychisch gestörte Täter umgebracht habe. Im vorliegenden Fall sei das Informationsinteresse der Öffentlichkeit so ausgeprägt gewesen, dass der Persönlichkeitsschutz der Abgebildeten in den Hintergrund habe treten müssen. Hinzukomme, dass die Angehörigen einiger Opfer bewusst die Öffentlichkeit gesucht hätten. Der Vater eines der Ermordeten habe sogar Reporter der Zeitung zu sich nach Hause eingeladen und mit ihnen gesprochen.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Brutale Messerattacke auf Video aufgenommen“ einen Filmbeitrag. In dem Handymitschnitt ist ein Mann zu sehen, der von einem offensichtlich psychisch Kranken mit einem Messer angegriffen worden ist. Der Mann liegt in einem Kaufhaus blutend auf dem Boden, während er von Helfern versorgt wird. Im Hintergrund ist eine schreiende Frau zu hören. Die Veröffentlichung hat zwei Beschwerden zur Folge. Ein Beschwerdeführer moniert die Form der Darstellung mit einem Video. Nach seiner Auffassung ist dies unangemessen und entwürdigend. Das Opfer und seine Angehörigen würden auf diese Weise öffentlich bloßgestellt. Sie müssten durch diese Art der Berichterstattung die Tat nochmals durchleben. Beide Beschwerdeführer vermuten, dass das offensichtlich von einem zufällig anwesenden Handynutzer aufgenommene Video andere Gaffer ermutigen könnte, in vergleichbaren Fällen ebenso zu reagieren und das Geschehen mit dem Ziel der Veröffentlichung zu filmen. Für die Zeitung antwortet deren Justiziar auf die Beschwerden. Er nennt mehrere Ziffern des Pressekodex, die man bei der Beurteilung dieses Falles nicht zurate ziehen könne. Er hält das Video deshalb nicht für einen Verstoß gegen die journalistisch-ethischen Regeln des Pressekodex. Die Polizei sei in ihren Pressemitteilungen zunächst von einem versuchten Mord ausgegangen. Die Zeitung hält die offensichtlich ohne Anlass begangene Tat für ein herausragendes Ereignis. Bei der Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Opfers und der Betroffenen stünden diese hinter dem berechtigten öffentlichen Interesse zurück. Die Annahme der Beschwerdeführer, das Handyvideo animiere Gaffer zur Nachahmung in ähnlichen Fällen, sei – so der Justiziar – nicht zutreffend. Der Urheber des Videos sei Augenzeuge gewesen und von sich aus auf die Redaktion zugekommen. Er habe kein Honorar bekommen. Insgesamt überwiege bei der Beurteilung dieses Falles das öffentliche Interesse.
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Eine Boulevardzeitung berichtet auf ihrer Titelseite unter der Überschrift „Wurden sie in den Tod gelockt?“ über die Opfer des Amoklaufs von München. Die Zeitung druckt acht Fotos der Erschossenen ab. Alle sind erkennbar abgebildet. Auch im Innenteil der Zeitung sind Opfer zu sehen. Die Zeitung nennt ihre abgekürzten Namen und ihr Alter. Ein Leser der Zeitung sieht durch die Berichterstattung presseethische Grundsätze verletzt. Die Rechtsvertretung der Zeitung spricht von einem der schlimmsten Amokläufe der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die ungeheuerliche Tat habe in Deutschland und in aller Welt einen enormen Widerhall gefunden. Nicht nur an Tat und Täter, sondern auch an der Identität der Opfer habe aufgrund der besonderen Verbindung zum Täter und wegen Parallelen zu vergangenen Taten, die den Attentäter inspiriert hätten, ein außergewöhnliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden. Die Rechtsvertretung weist die Vorwürfe des Beschwerdeführers zurück. Presseethische Grundsätze seien von der Redaktion nicht verletzt worden. Das Informationsinteresse an der Tat sei so ausgeprägt gewesen, dass der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen in diesem besonderen Fall zurücktreten müsse. Der Justiziar berichtet von Fällen, in denen die Hinterbliebenen bewusst die Öffentlichkeit gesucht hätten. Der Vater eines Ermordeten habe die Reporter der Zeitung sogar zu sich nach Hause eingeladen. Die Rechtsvertretung verdeutlicht die Position der Zeitung. Die Menschenwürde der Getöteten werde durch die Veröffentlichung der Alltagsfotos nicht beeinträchtigt, da diese Bilder an das fröhliche Wirken der Menschen zu Lebzeiten erinnerten und sie eben nicht zu bloßen Objekten der Berichterstattung herabgewürdigt würden.
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Eine Regionalzeitung bekommt einen Leserbrief des Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Norbert Klapper. Sie berichtet darüber unter der Überschrift „Klapper: ´Entsetzt und enttäuscht´“. Der beschreibt in seinem Leserbrief ein unangemessenes Erlebnis mit Geflüchteten. Dieses habe seine Haltung verändert. Er wisse nun, dass „wir es nicht schaffen“ und sehe viele Geflüchtete mit anderen Augen. Der Leserbrief stammt jedoch nicht von Klapper, sondern wurde ihm untergeschoben. Auch darüber berichtet die Zeitung. Klapper kommt ausführlich zu Wort. Er beteuert, den Leserbrief nicht geschrieben zu haben. Die Redaktion schildert, dass sie sich bei Klapper telefonisch rückversichert hat. Nicht er, aber ein Familienmitglied habe bestätigt, dass ein Leserbrief an die Zeitung geschickt worden sei. Mit dem Artikel erscheint ein Kommentar der bearbeitenden Redakteurin, in dem sie sich ausführlich mit der Motivation von Leuten auseinandersetzt, die in fremdem Namen Leserbriefe verschicken. Norbert Klapper ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er habe die Redaktion bereits mehrfach auf die Gefahr gefälschter Manuskripte hingewiesen. Hätte man ihn zu dem Leserbrief befragt, wäre der Fehler nicht passiert. Er hält den erläuternden Artikel nicht für eine geeignete Richtigstellung. Das Telefonat, von dem die Rede sei, habe nicht stattgefunden. Der Chefredakteur der Zeitung spricht davon, dass die Redaktion im Fall des angeblichen Leserbriefes umfassend recherchiert habe. Sie habe bei einer telefonischen Rückfrage nicht Klapper selbst, sondern seine Frau erreicht. Diese habe bestätigt, dass ihr Mann einen Leserbrief geschrieben habe. Die Redakteurin habe ihr mitgeteilt, dass der Brief am nächsten Tag erscheinen werde. Dieses Vorgehen könnten – so der Chefredakteur – drei Redakteure bestätigen. Sie seien während des Telefonats in den Redaktionsräumen anwesend gewesen. Die Redaktion bedauere, dass die Fälschung nicht sofort aufgefallen sei. Sie habe jedoch nach seiner Auffassung alles getan, um eine dauerhafte Rufschädigung zu vermeiden.
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Unter der Überschrift „Das Psycho-Tagebuch von Lubitz!“ veröffentlicht eine Boulevardzeitung Inhalte aus dem Tagebuch des Co-Piloten, der in den französischen Alpen eine mit 150 Menschen besetzte Germanwings-Maschine willentlich hat abstürzen lassen. Der Autor teilt mit, Lubitz habe auf Anraten seines Therapeuten auf seinem Computer ein Tagebuch verfasst. Dieses sei Teil der französischen Ermittlungsakten, die der Redaktion exklusiv vorlägen. Der Artikel enthält zahlreiche Zitate des Co-Piloten, in denen er sich zu seinem Gefühlsleben im Allgemeinen, zu der Belastung durch die Ausbildung zum Piloten in einer fremden Stadt und zu seiner psychiatrischen Behandlung äußert. Er dankt im Tagebuch auch seiner Mutter und seiner Freundin für ihre Unterstützung. Außerdem zitiert die Zeitung aus psychologischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Lufthansa und eines Psychotherapeuten. Auch wird berichtet, dass bei der Durchsuchung der Wohnung von Andreas Lubitz die Antidepressiva Escitalopram, Mirta TAD, Mirtazapin und das Schlafmittel Lorazepam gefunden worden seien. Die durchsuchenden Beamten hätten außerdem einen Überweisungsschein an einen Psychotherapeuten wegen eines psychosomatischen Beschwerdekomplexes und einen Überweisungsschein an eine psychiatrische Tagesklinik gefunden. Mehrere Beschwerdeführer wenden sich an den Presserat. Sie sehen Verletzungen der Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde), 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Es verletze die Menschenwürde von Andreas Lubitz, dass durch die Veröffentlichung eine Vielzahl von persönlichen Aufzeichnungen zu seinem Gefühlsleben und seinem Gesundheitszustand ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt würden. Die Zeitung erwecke den falschen Eindruck, das auf der Titelseite mitgeteilte Zitat („Sehe keinen Weg zurück in ein normales erfülltes Leben“) stamme aus der Zeit unmittelbar vor dem Absturz des Germanwings-Flugzeugs und könne daher als Indiz für den Gesundheitszustand von Andreas Lubitz zum Absturzzeitpunkt herangezogen werden. Die Beschwerdeführer vermuten Verletzungen von weiteren presseethischen Grundsätzen, so etwa Ziffer 13 (Unschuldsvermutung) und Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung). Der Presserat erweitert die Beschwerde im Rahmen der Vorprüfung auf einen möglichen Verstoß gegen Richtlinie 8.6 (Erkrankungen). Die Rechtsabteilung der Zeitung rechtfertigt die Veröffentlichung mit dem Hinweis auf die vollumfassende Informations- und Chronistenpflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Die Tagebuchaufzeichnungen habe die Redaktion veröffentlichen dürfen. Der Justiziar des Verlages weist auf Ausmaß und Ausführung der Tat hin, die das Leben von 150 Menschen ausgelöscht habe. Die Berichterstattung darüber sei von größtem öffentlichem Interesse und von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung.
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