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Diskriminierung von Sinti und Roma 18

Angeklagter und Zeuge wiesen selbst auf ihre ethnische Zugehörigkeit hin

Eine Regionalzeitung berichtet zweimal über einen Mordprozess. Der Angeklagte gehört zur Volksgruppe der Sinti. In einem Artikel steht der Satz: „Ein weiterer Zeuge sagte gestern, er sei mit Sinti und Roma aufgewachsen. Wenn die sagten, sie hätten die Tat nicht verübt, dann könne man das glauben.“ Im zweiten Artikel heißt es: “…weil er der Volksgruppe der Sinti angehöre und ein Sinto seinen Bruder nicht verrate, zumal er das Familienoberhaupt sei, begründete der Angeklagte sein bisheriges Schweigen.“ Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex und ruft den Deutschen Presserat an. Die Minderheiten-Kennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Die Chefredaktion der Zeitung betont, dass sich die Redaktion generell und auch im vorliegenden Fall an die Gepflogenheiten halte, in Berichten über Straftaten oder in Gerichtsberichten nach Richtlinie 12.1 des Pressekodex zu verfahren. Dass der Angeklagte und weitere Verfahrensbeteiligte der Volksgruppe der Sinti angehörten, wäre üblicherweise gar nicht zur Sprache gekommen. Hier aber sei dieser Sachverhalt ausdrücklich vom Hauptangeklagten und einem Zeugen in das Verfahren eingeführt worden. Beide hätten auf die speziellen Familienbande und Verhaltensmerkmale hingewiesen, die sich aus ihrer ethnischen Zugehörigkeit herleiteten. Somit sei es Pflicht der Zeitung, den Lesern gegenüber die Verteidigungsstrategie des Angeklagten mit dem Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit zu veranschaulichen. (2001)