Fingiertes Telefongespräch
Imitator Brandt spricht als „Kanzler“ mit Marcel Reich-Ranicki
Eine Regionalzeitung veröffentlicht Auszüge aus einem fingierten Telefongespräch, das der Schröder-Imitator Elmar Brandt als „Bundeskanzler“ mit „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki für eine Satire-Zeitschrift führt. Der Kritiker setzt sich darin ausführlich mit Martin Walser auseinander, dessen letztes Buch er als antisemitisch bezeichnet. Der Schriftsteller, so Reich-Ranicki, „trinkt wahnsinnig viel…“, „macht ab und zu Lesungen um 11 Uhr vormittags, und schon da hat er eine Flasche Rotwein auf dem Tisch“. Zwei Leser stellen fest, dass der Literaturkritiker sich nicht über die Identität des Anrufers im klaren ist. Der Text verstoße gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrheit, Menschenwürde), Ziffer 4 (Unlautere Methoden bei der Beschaffung von Informationen) und Ziffer 8 (Privatleben, Intimsphäre). Sie beschweren sich beim Deutschen Presserat. Die Redaktion teilt mit, die Beschwerdeführer unterstellten ihr Absichten, die sie nicht hatte. Das gefälschte Gespräch habe in der Satire-Zeitschrift gestanden, sei durch eine überregionale Zeitung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden und vielen Blättern eine Erwähnung wert gewesen. Reich-Ranicki selbst habe, nachdem ihm die Umstände des „Kanzler“-Gesprächs bekannt gewesen sein, gesagt, vielleicht wäre es ja ganz gut, wenn diese Unterhaltung gedruckt würde. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, so die Redaktion weiter, sei also der Sachverhalt der Täuschung und die Billigung des Abdrucks durch den Literaturkritiker längst klar gewesen. (2002)