Foto einer Trachtengruppe
Schüler in Paraguay kritisieren fehlerhafte Beschreibung ihres Alltags
Eine Tageszeitung veröffentlicht unter der Überschrift “Paraguay: Wo man Dürksen heißt und Plattdeutsch spricht” einen Bericht über eine Mennoniten-Siedlung in Paraguay. Schüler einer Schule dieser Siedlung beschäftigen sich in ihrem Deutschunterricht mit dem Inhalt des Artikels und erkennen darin den Alltag in ihrer Stadt nicht wieder. Sie wenden sich an den Deutschen Presserat und kritisieren, dass die Berichterstattung falsch und einseitig verzerrt ist. Nicht hellblonde, weißhäutige Menschen bestimmen das Straßenbild, sondern dunkelhäutige Bewohner sind deutlich in der Überzahl. Wer von den Kindern nicht in den Gottesdienst komme, werde in der Schule ermahnt, schreibe die Autorin. Die Vorstellung, dass die Mehrheit der Bewohner der Stadt Christen sei, sei falsch. Wenn die Lehrer jeden, der sich nicht pünktlich im Gottesdienst zeige, ermahnen würden, würden alle Ermahnten höchstwahrscheinlich nicht mehr zum Unterricht kommen. In dem Artikel sei zu lesen, in einigen Kirchen seien selbst Hosen und ärmellose Blusen verpönt. Die Mennoniten im Chaco, insbesondere die Jugend, fühlten sich in ihrer Ehre verletzt, wenn in der modernen Zeit, in der wir leben, von ihnen so etwas behauptet werde. Es stimme auch nicht, dass das Deutsch der Lehrer fehlerhaft sei. Der Besitz eines Videorecorders werde als eine Revolution beschrieben. Dabei gehöre ein solches Gerät fast zu jedem Haushalt in der Stadt. Für so lasterhafte Vergnügen wie Kinos oder Diskotheken sei in der Stadt kein Platz, behaupte die Autorin. Dabei sei nur deshalb kein Kino in der Stadt, weil sie zu wenig Einwohner habe und sich eine solche Einrichtung nicht rentiere. Die Verfasserin vermisse Neuerungen. Wenn man die Siedlung mit irgendeiner Großstadt in Deutschland vergleiche, könnte man dieses behaupten. Aber verglichen mit dem Landesinnern von Paraguay sei der Ort ein entwickeltes Städtchen. Die meisten Einwohner seien mit den Einrichtungen wie Internet, Handy, Supermärkte, Sportzentren oder Molkereien zufrieden. Und außerdem seien sie offen für neue Einrichtungen. Schließlich werde auch die Rolle der Frau in der Gemeinschaft der Mennoniten falsch beschrieben. Zudem enthalte der Beitrag ein falsches Foto. Dieses zeige eine Gruppe konservativer Mennoniten in traditioneller Tracht. Eine solche Gruppe existiere in der Stadt überhaupt nicht. Die Chefredaktion der Zeitung übersendet dem Presserat eine Stellungnahme der Autorin ihres Beitrages. Darin weist diese darauf hin, dass sie ihre Reportage ausschließlich auf Publikationen der Mennoniten und auf Aussagen von Bewohnern der Siedlung gestützt habe. Sie habe das Straßenbild der Siedlung so geschildert, wie es sich ihr in ihren zwei Aufenthalten dort dargestellt habe. Hinsichtlich des Fotos räumt sie ein, dass dies von der Redaktion ausgewählt und dabei ein Fehler gemacht worden sei. Insgesamt habe sie nicht nur die schlechten Seiten der Siedlung geschildert. Sie habe das Leben dort so beschrieben, wie es sich jemandem darstelle, der in einer anderen Gesellschaftsordnung aufgewachsen sei. (1999)