Straftat eines Mandatsträgers
Zeitung berichtet über Stadtverordneten, der Kinder missbraucht haben soll
Eine Lokalzeitung berichtet in mehreren Beiträgen über einen ehemaligen Stadtverordneten, der 1996 mehrere Kinder sexuell belästigt haben soll. Im letzten Beitrag heißt es, dass der Mann zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei. In allen Artikeln wird darauf hingewiesen, dass er bis 1998 einen Sitz im Stadtrat hatte und sich in dieser Funktion besonders um die Bereiche Sport, Kultur und Jugend kümmerte. Der Kreisverband seiner Partei ist der Ansicht, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Tatverdächtigen und dem von ihm in der Vergangenheit ausgeübten Partei-Mandat hergestellt wird. Da dabei sein Vorname und das Initial seines Familiennamens angegeben werde, sei der Mann durch die Veröffentlichung überdies identifizierbar. Der Verband führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, nach allgemeiner Auffassung sei die Gerichtsberichterstattung angesichts der überragenden Bedeutung für die Öffentlichkeit insoweit zulässig, als nicht gesetzliche Beschränkungen entgegenstehen. Derlei Beschränkungen, die es der Zeitung verboten hätten, das Partei-Mandat des Angeklagten zu nennen, seien nicht ersichtlich. An der Berichterstattung bestehe ein Interesse der Öffentlichkeit, da der Angeklagte Mandatsträger gewesen sei. Wenn eine Person des politischen Lebens Straftaten begehe, so müsse die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, Konsequenzen zu ziehen. Dies gelte für alle politischen Ebenen. Wegen der Abkürzung des Nachnamens sei die Person nicht ohne weiteres erkennbar. Es bedürfe zusätzlicher Recherchen, um die Identität des Angeklagten festzustellen (1999)