Ehrverletzung
»Heute würde Stauffenberg als extremer Nazi gelten. Stauffenberg war nicht nur ein Rechtsradikaler, sondern auch feige«, lautet eine Passage in einem Leserbrief in einer Tageszeitung. Der Autor äußert seine Überraschung darüber, dass Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Held dargestellt wird. Er sei nicht Manns genug gewesen, den Führer mit seiner Dienstpistole zu erschießen. Stattdessen habe er eine Bombe unter den Tisch gelegt, an der vier Unschuldige gestorben seien. Stauffenberg habe das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 und Österreich weiter bestehen lassen wollen. Ein Leser des Blattes hält die zitierte Passage für ehrkränkend. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat schreibt er, ihm erscheine unschlüssig, dass jemand als Nazi gekennzeichnet werden dürfe, der erkennbar in konspirativer Weise dieselben bekämpfte. Die Chefredaktion verweist auf ihre außerordentlich umfangreiche Berichterstattung anlässlich des 50. Jahrestages des Attentats auf Adolf Hitler. Diese sei insgesamt nicht als Heldenverehrung gedacht oder als solche miss zu verstehen gewesen, sondern habe sich um eine umfassende sachliche historische Darstellung bemüht. In diesem Kontext sei der Leserbrief zu sehen. Die Redaktion sei sich durchaus im klaren gewesen, dass dieser Leserbrief eine nicht alltägliche und stark vom Allgemeinempfinden abweichende Meinung artikuliere. Insgesamt sei der Brief als ein Beitrag zur Ausgewogenheit zu betrachten, der nach Ansicht der Redaktion nicht die Absicht verfolge, einen Dritten herabzusetzen. Die Chance, in einem Leserbrief eine Gegenposition zu artikulieren, habe der Beschwerdeführer nicht genutzt. (1994)