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Tagesablauf einer Stadtstreicherin

Anonymität der betroffenen Frau bleibt trotz vieler Details gewahrt

Unter Hinweis darauf, dass sie für diese soziale Einrichtung Spenden sammelt, berichtet eine Lokalzeitung über eine Tageswohnung für obdachlose Frauen. Sie beschreibt die Räumlichkeiten und die Tätigkeit dieser Hilfseinrichtung. „Evas Haltestelle“ habe 15 Stammgäste, acht davon seien psychisch gestört. Exemplarisch wird der Tagesablauf einer Frau beschrieben, die vor zehn Jahren eine erfolgreiche Fernsehjournalistin gewesen und Opfer eines Autounfalls geworden sei. Seit der dabei erlittenen starken Schädelverletzungen sei sie geistig gestört, höre oft Stimmen und leide an Halluzinationen. Die Frau komme jeden Donnerstag zum Frühstück. Danach fahre sie quer durch die Stadt zu anderen Einrichtungen. Sie habe sich mittlerweile einen richtigen Fahrplan für eine Nahrungskette zusammengestellt, zitiert das Blatt die leitende Sozialarbeiterin. Immerhin habe die Frau noch eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung, in die sie sich nachts verkriechen könne. Damit sei sie eine Ausnahme. Die betroffene Frau beklagt in einer Beschwerde beim Presserat, dass ihre persönlichen Daten in dem Artikel veröffentlicht wurden. Sie bestreitet, dass sie geistig gestört sei und dass sie Halluzinationen habe, gesteht aber ein, dass sie seit geraumer Zeit Stimmen des Verfassungsschutzes höre. Sie habe zwei Studiengänge absolviert und 1995 ihre Diplomarbeit in Politologie geschrieben. Nach Erscheinen des Artikels sei sie von den Leitern mehrerer Hilfseinrichtungen angesprochen worden, da man sie auf Grund der darin erwähnten Umstände erkannt habe. Der Chefredakteur der Zeitung betont, mit dem Artikel habe man die Spendenaktion seines Blattes unterstützen wollen. Man habe dabei nicht die Absicht gehabt, das Schicksal der Beschwerdeführerin in missbräuchlicher Weise zu beschreiben. Die Redaktion habe weder den Namen der Betroffenen genannt noch ihr Foto veröffentlicht. Die Anonymität der Frau sei damit gewahrt worden. So weit die Beschwerdeführerin angebe, sie sei an mehreren Essenausgabestellen auf Grund des Artikels erkannt worden, sei zu berücksichtigen, dass die Informationen über sie just diesen Quellen entstammten. Die Betroffene sei also nicht auf Grund des Artikels erkannt worden, sie sei vielmehr in den diversen Hilfseinrichtungen schon vorher bekannt gewesen. Auch sei der Artikel in der Wortwahl nicht abwertend formuliert. Bewusst sei nicht die Formulierung „geistesgestört“, sondern „geistig gestört“ gewählt worden. Dies sei nicht als abwertende Meinung, sondern als neutraler Befund zu verstehen. Der Artikel schildere darüber hinaus auch Ursache und Symptome der Beeinträchtigung, so dass nichts dargetan sei, was abwertend zu verstehen sei oder gegen die Befähigung der Beschwerdeführerin spreche, die von ihn erwähnte Diplomarbeit zu verfassen oder sich sonstigen Prüfungen zu stellen. (2001)