Zitat – falsch oder richtig
Oberster Statistiker soll Schluss mit der Schönfärberei bekundet haben
Ein Wirtschaftsmagazin berichtet über die Ergebnisse der Neunten Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes. Danach steige die Lebenserwartung der Deutschen in den nächsten 35 Jahren um vier Jahre. Die Wiesbadener Behörde vollziehe damit eine Kehrtwende. “1994”, so die Zeitschrift, “schrieb sie die derzeitige Lebenserwartung auf ewig fest: 73 Jahre bei den Männern und 78,5 Jahre bei den Frauen. Wie unrealistisch das ist, wussten die Statistiker zwar. Aber nicht offiziell.” In dem Beitrag wird dem Präsidenten des Bundesamtes das Zitat “Schluss mit der Schönfärberei” zugeschrieben. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat weist der Präsident des Bundesamtes darauf hin, dass das ihm unterstellte Zitat frei erfunden ist. Gleichzeitig teilt er mit, dass die Neunte Bevölkerungsprognose noch nicht fertiggestellt ist und daher noch keine Ergebnisse vorliegen können. Der Beschwerdeführer kritisiert zudem die Behauptung, dass seine Behörde in der Achten Bevölkerungsprognose von 1994 “die derzeitige Lebenserwartung auf ewig” festgeschrieben habe: “73 Jahre bei den Männern und 78,5 Jahre bei den Frauen”. Von einer Kehrtwende des Bundesamtes könne keine Rede sein. Die Achte Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung habe die Lebenserwartung nicht auf ewig festgeschrieben. Vielmehr werde in der Prognose von einer zunehmenden Lebenserwartung ausgegangen. Der Präsident erklärt schließlich, er habe nach Kenntnisnahme des Artikels durch eine Vorabmeldung einer Nachrichtenagentur die Redaktion der Zeitschrift darüber unterrichtet, dass das darin enthaltene Zitat falsch sei. Daraufhin habe ihn der zuständige Ressortleiter angerufen und den Fehler eingeräumt. Einer Aufforderung, die Falschmeldungen aus dem Artikel zu entfernen oder unlesbar zu machen oder die Ausgabe nicht mit den Falschmeldungen erscheinen zu lassen, habe die Redaktion nicht Folge geleistet. Eine einstweilige Verfügung sei wirkungslos geblieben, da der Artikel mit dem erfundenen Zitat und der falschen Sachdarstellung inzwischen bundesweit vertrieben worden sei. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Wertung, das Statistische Bundesamt vollziehe “eine Kehrtwendung”, angesichts der zugrunde liegenden Fakten in jeder Weise für gerechtfertigt. Diese Aussage basiere auf dem Statement eines renommierten Wissenschaftlers im Rahmen eines Symposiums, der von einer Zunahme der mittleren Lebenserwartung von rund vier Jahren ausgegangen sei. Da es sich um einen anerkannten Experten auf dem Gebiet der Rentenversicherung handele, der über hervorragende Kontakte zum Statistischen Bundesamt verfüge, habe die Zeitschrift keinerlei Veranlassung gehabt, an seinen Worten zu zweifeln. Des weiteren sei auch die Wertung zulässig, dass das Bundesamt in der Achten Bevölkerungsprognose die derzeitige Lebenserwartung auf ewig festgeschrieben habe. Die Rechtsabteilung gesteht jedoch ein, dass die Zeitschrift falsch zitiert hat. Durch die Zitatform sei der Eindruck erweckt worden, als habe der Präsident des Amtes der Zeitschrift ein Interview gegeben. Dies sei durch ein redaktionelles Versehen geschehen. Aus Layout-Gründen sei der ursprünglich geplante Einstiegsatz geändert worden. Dabei seien die Anführungsstriche ohne Wissen des Autors und des Ressortleiters von der Schlussredaktion in letzter Minute in den Text eingesetzt worden. Als der Fehler bekannt geworden sei, habe sich der zuständige Ressortleiter sofort mit dem Beschwerdeführer und dem Bundesarbeitsministerium in Verbindung gesetzt, um den Schaden zu begrenzen. Darüber hinaus habe sich die Zeitschrift bei dem Beschwerdeführer entschuldigt und sofort die Agenturen und Tageszeitungen benachrichtigt, damit diese seine angebliche Äußerung nicht zitieren. Ferner habe die Zeitschrift in ihrer nächsten Ausgabe neben der Gegendarstellung des Beschwerdeführers eine Anmerkung veröffentlicht, in der noch einmal das Bedauern über die Panne ausgesprochen wurde. Viel mehr könne man nicht tun, um einen Patzer wieder gutzumachen. Abschließend stellt die Rechtsabteilung fest, nach bekannt werden der Panne sei die Ausgabe bereits gedruckt gewesen und habe zur Auslieferung bereit gestanden. Es könne der Zeitschrift nicht zugemutet werden, die gesamte Ausgabe einer Makulatur zuzuführen oder die verpackten Exemplare zu öffnen und an der entsprechenden Stelle zu schwärzen. (1999)