Bloßstellung
Eine Tageszeitung veröffentlicht in einem Teil ihrer Auflage eine Glosse, die sich ironisch mit dem Rechtsstreit einer jungen Frau auseinandersetzt, die seit einem Tanzunfall gelähmt ist und nun gegen den Tanzpartner Schadensersatzansprüche geltend macht. Unter anderem habe sie im Prozess vorgetragen, sie habe in ihrem sozialen Kreis kaum noch Heiratschancen. Die Namen der Beteiligten, beide mit Adelstiteln, werden genannt. Dies ist Ansatzpunkt für den Autor, den Vorgang beißend zu kommentieren (». . . auch wenn man sich unter uns Plebejern fragt, was diese Edlen eigentlich immer wieder aus dem sicheren Quadrillen-Verband ins gemeine Disco-Getümmel treibt«). Beschwerdeführer ist ein Rechtsprofessor. Es sei eine unentschuldbare Verletzung menschlichen Anstands, einer vom Schicksal hart getroffenen Frau mit Häme und bewusst verletzenden Bemerkungen die menschliche Anteilnahme zu versagen, begründeter seine Reaktion. Die Redaktion pflichtet ihm bei: Diese Glosse hätte nie erscheinen dürfen. Sie war von der Redaktion längst abgelehnt worden und nur durch eine technische Panne in eine Teilauflage geraten. Es war nämlich vergessen worden, den Text im rechnergesteuerten System zu löschen. Nach Entdecken des Fehlers wurde die Rotation angehalten und der Text ausgewechselt. Die Zeitung entschuldigt sich bei der Familie, erklärt Unterlassung und spendet anstelle eines Schmerzensgeldes einen größeren Betrag für eine gemeinnützige Organisation Querschnittgelähmter. (1991)