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Foto einer Unbeteiligten

Eine Zeitschrift berichtet über ein Flugzeugunglück im Flughafen einer osteuropäischen Hauptstadt. In Schlagzeile und Text stellt sie eine deutsche Stewardess als die Heldin des Tages vor, In dem Beitrag findet sich u. a. ein Foto der Mutter der Stewardess mit Namens- und Altersangabe sowie ein Zitat des Stiefvaters, in dem es heißt: »Meine Ex- Frau und ich haben lange mit ihr gesprochen ... «. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beanstandet die Mutter die Veröffentlichung Ihres Fotos und die Erwähnung, dass sie geschieden sei. Sie betont, dass sie ein Journalist der Zeitung nicht angesprochen habe. Sie moniert, dass ihre Scheidung nun öffentlich bekannt geworden sei: Dabei habe sie diese Tatsache geheim halten wollen: Die Beschwerdeführerin vermutet, dass für die Preisgabe von Informationen sehr viel Geld gezahlt worden sei. Die Redaktion gibt zu, dass sie mit der Mutter der Stewardess nicht gesprochen habe. Grundlage der Berichterstattung sei ein mit dem Stiefvater telefonisch geführtes Interview. Dieser habe für seine Äußerungen kein Geld erhalten: Er habe auch das Foto seiner geschiedenen Ehefrau zur Verfügung gestellt. Durch ihr mutiges Verhalten bei dem Unglück sei die Tochter zu einer absoluten Person der Zeitgeschichte geworden. Die Mutter sei durch das Ereignis bekannt und somit zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden. Als solche müsse sie sich die Veröffentlichung ihres Fotos zumindest für einen gewissen Zeitraum gefallen lassen. Den Familienstand habe die Zeitung nicht preisgegeben. Mitgeteilt worden sei lediglich, dass sie die Ex-Frau des Stiefvaters der Stewardess sei. Ehescheidungen seien heutzutage an der Tagesordnung. Anlass für Schamgefühle gebe es nicht. (1993)