Gerichtsberichterstattung
Eine Journalistin berichtet in zwei Zeitschriften über' einen Vater, der seine eigenen Kinder sexuell missbraucht hat. Zitiert werden die Aussagen der Mutter vor Gericht: »Seine Frau macht sich heute bittere Vorwürfe« - »Hier missbrauchte er unsere Kinder - und ich merkte nichts« - »Das Geständnis einer verzweifelten Frau: Hilflos musste ich zusehen, wie mein Mann unsere Kinder brutal vergewaltigte«. Beide Zeitschriften veröffentlichen Fotos der missbrauchten Kinder. Eine der beiden hat die Augen der Kinder unkenntlich gemacht. Eine Redakteurin, in der Gerichtsberichterstattung tätig, beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie spricht von einer verheerenden Wirkung beider Artikel. Die Aussagen der Frau seien niemals in dem Sinn getroffen worden, wie sie im Bericht erschienen seien. Die Betroffene habe im Gericht berichtet, sie habe von den sexuellen Übergriffen des Mannes gewusst, selbst aber nichts dagegen unternehmen können. Das Gericht habe der Zeugin bestätigt, selbst Opfer gewesen zu sein, das nicht habe helfen können: Bei der Beschaffung der Privatfotos sei die Journalistin so massiv gegen die Eltern der Zeugin vorgegangen, dass diese die Polizei alarmiert hätten, um sie vor der Reporterin im Haus zu schützen. Die Redaktionen beider Blätter räumen ein, dass sie inzwischen auch an der Richtigkeit der Darstellung zweifeln. (1994)