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Vorläufiger UN-Bericht als offizielle UN-Beurteilung deklariert

Eine Tageszeitung berichtet über die Verhandlung des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag gegen drei der Täter, die im Sommer 1992 im bosnischen Foca muslimische Frauen und Mädchen erniedrigt, gefoltert, missbraucht und in ständiger Todesangst gehalten haben. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass es Massenvergewaltigungen als Waffe nicht erst seit den Balkanwirren gibt. Schon immer seien Frauen gezielt zu Opfern des Krieges gemacht worden. So hätten laut den UN deutsche und japanische Truppen in den Weltkriegen systematisch Frauen vergewaltigt oder zur Prostitution gezwungen. Ein Leser der Zeitung nimmt Anstoß an dieser Darstellung und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Behauptung in einem Bericht der UN-Menschenrechtskommission, Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierungen, sei falsch. Vergewaltigungen hätten in beiden Kriegen einen Straftatbestand erfüllt, der in allen gesetzlichen Fassungen mit Zuchthaus geahndet worden sei. Die Berichterstatterin der UN-Unterkommission, Linda Chavez, sei damals zurückgetreten. Ihre diskriminierende Behauptung sei nicht in die Schlussfassung des Berichtes übernommen worden. Auf Anforderung übersendet der Beschwerdeführer dem Presserat eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 4. November 1996, in dem der stellvertretende Leiter des Arbeitsstabs Menschenrechte ihm mitteilt, dass die Bundesregierung die betreffende Behauptung von Frau Chavez als unzutreffend zurückweist. Die Bundesregierung erwarte daher, dass diese Behauptung im Schlussbericht nicht wiederholt werde. Die Redaktion Außenpolitik der Zeitung hält der Beschwerde entgegen, dass die gemachte Aussage nach wie vor zutreffend sei. Sie befinde sich in einem Bericht der UN-Sonderberichterstatterin Linda Chavez vom 16. Juli 1996. Die Behauptung werde zwar in dem Abschlußbericht von Chavez‘ Nachfolger Gay J. McDougall vom 22. Juni 1998 nicht mehr wiederholt, sie werde aber auch in keiner Weise widerrufen. Vielmehr sei der Chavez-Bericht nach wie vor auf den Internet-Seiten der UN veröffentlicht und für jedermann zugänglich. Ein einschränkender Hinweis in bezug auf die Behauptung über Massenvergewaltigungen durch deutsche Truppen in den Weltkriegen finde nicht statt. Auch habe das UN-Infozentrum in Bonn trotz Recherchen kein UN-Dokument über einen schriftlichen Einwand Deutschlands finden können. Da die Behauptung von Linda Chavez somit nach wie vor unwiderrufen im Raum stehe, ist die Redaktion der Ansicht, dass sie auch im Rahmen von Presseberichten zitiert werden dürfe. (2001)