Wahrheitsgetreue Verarbeitung
»Herr Asylbetrüger; na wie geht's? / Oh ganz gut, bring Deutschen Aids« - so beginnt ein Gedicht, das eine Lokalzeitung ihren Lesern als Text eines anonymen Flugblattes in vollem Wortlaut vorstellt. In 28 Verszeilen wird das Leben und Verhalten der Asylbewerber in Deutschland persifliert. Neben dem Flugblatt ist ein Kommentar veröffentlicht, der sich mit der Problematik des Asylrechts auseinandersetzt. Zwei Kreisverbände einer Partei und ein Leser des Blattes wenden sich an den Deutschen Presserat. Der neben dem Flugblatt platzierte Kommentar erwecke in den einleitenden Formulierungen den Eindruck, dass der Inhalt des Gedichts abgelehnt werde. Tatsächlich aber analysiere der Kommentar nicht die einzelnen Aussagen des Gedichts und stelle nicht die unsachlichen, volksverhetzenden, die Wirklichkeit entstellenden und die Würde des Menschen beleidigenden Formulierungen richtig: Erschwerend komme hinzu, dass die Redaktion den Text des Flugblattes offenbar bearbeitet und in Rhythmus und Reim deutlich geglättet habe. Die Zeitung widerspricht: Sie distanziere sich sehr deutlich vom Inhalt des Flugblattes. »Es ist ... absurd, wenn einige politische Sektierer uns in eine rechte ausländerfeindliche Ecke stellen wollen.« (1992)