Entscheidungen finden

Vorverurteilung

Sportredaktion verbreitet Gerüchte um einen Box-Weltmeister

Unter der Überschrift „Wird der Tiger erpresst?“ berichtet eine Tageszeitung über Gerüchte um einen Box-Weltmeister. Beim Promoter des Boxers habe es einen anonymen Anruf gegeben. Der Mann habe erzählt, er sei im Besitz eines Videobandes, das den Superstar auf einer wilden Party mit Koks und Prostituierten zeige. Der Autor des Artikels fragt: „Wer ist dieser Mann und was will er?“ Er erwähnt, dass es zuletzt Mitte September mächtigen Wirbel um den „Tiger“ gegeben habe. Sein 227.000 DM teurer Mercedes sei nachts auf einen VW-Transporter gekracht. Wer am Steuer gesessen habe, sei unklar. Von seiner Frau und seinen beiden Kindern lebe der Top-Athlet getrennt. Der Anwalt des Boxsportlers beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Artikel beinhalte in seinem berichtenden Teil ausschließlich Gerüchte. Die Veröffentlichung verstoße deshalb gegen die Pflicht zur sorgfältigen Recherche. Der Betroffene habe keinerlei Gelegenheit zur eigenen Stellungnahme erhalten. Der als Gerücht verbreitete Sachverhalt sei bis heute nicht bestätigt worden und das angesprochene Video auch nicht aufgetaucht. Die Rechtsabteilung des Verlages versichert, die Sportredaktion habe entgegen den Ausführungen in der Beschwerde intensiv recherchiert. Als die Gerüchte nicht verklungen seien und andere Medien eine baldige Veröffentlichung angekündigt hätten, habe die Sportredaktion beschlossen, die Gerüchte in der Weise zum Anlass einer Berichterstattung zu nehmen, dass sie einerseits entkräftet werden sollten und andererseits gefragt werden sollte, wer warum solche Gerüchte verbreite. Die Berichterstattung sei daher auch deutlich durchdrungen von einer Tendenz, die Haltlosigkeit der Gerüchte zu Gunsten des Beschwerdeführers zu beweisen. Für eine persönliche Stellungnahme sei der Boxprofi nicht erreichbar gewesen. Sprecher seines Boxstalles hätten sich aber entlastend geäußert. Zwei Tage nach der Veröffentlichung sei dem Anwalt des Betroffenen Gelegenheit gegeben worden, sich in der Zeitung zu den Gerüchten zu äußern. (2001)