Krankheit
Gerichtsbericht zitiert aus der Urteilsbegründung des Richters
Eine Lokalzeitung berichtet in zwei Beiträgen über ein Gerichts-verfahren gegen den Initiator einer „Klagemauer“, dem Widerstand gegen Polizeibeamte vorgeworfen wird. Im ersten Bericht zitiert sie einen Psychiatrie-Professor, der bei dem Angeklagten zwar „keine konkreten Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit gesehen“, gleichwohl „begründete Zweifel an dessen strafrechtlicher Verantwortlichkeit“ angemeldet habe, ohne diese näher zu konkretisieren. Diese Zweifel ließen sich durch eine entsprechende Untersuchung zwar ausräumen, doch dazu sei es bisher allerdings nicht gekommen. Immerhin sei bei dem Angeklagten, der vor geraumer Zeit im Rahmen eines Unterbringungsverfahrens von Mediziner-Kollegen in der Psychiatrie begutachtet worden sei, damals von einer „querulatorischer Psychose“ die Rede gewesen. Im zweiten Artikel berichtet die Zeitung über den Ausgang des Verfahrens. Der Angeklagte, der ein Jahr zuvor wegen seines unermüdlichen Einsatzes für Minderheiten von einer Bürgerinitiative mit einem Friedenspreis geehrt worden war, wird freigesprochen. Der Amtsrichter wird mit den Worten zitiert: „Ich habe Ihnen den Jagdschein geschenkt“. Es sei durchaus denkbar, dass bei dem Angeklagten eine „schwere andere seelische Abartigkeit“ vorliege, die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließe, heiße es in der Urteilsbegründung. Der Betroffene habe sich als ein Preisträger erwiesen, der dieser Auszeichnung nicht würdig sei. Der Preis stehe für ein Verhalten, das von „Gewaltlosigkeit, Courage und Frieden“ geprägt sei, doch sei es dem Angeklagten nicht gelungen, dies auch zu praktizieren. Besagte Bürgerinitiative ist anderer Ansicht und beschwert sich beim Deutschen Presserat über die „unverantwortliche und diffamierende Berichterstattung“ der Zeitung. Sie spricht von Rufmord und Vorverurteilung. Den Zeitungslesern werde suggeriert, „Experten“ seien zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Angeklagten handele es sich um eine psychisch abnorme Persönlichkeit. Nach Aussagen aller Prozessbeobachter sei die Berichterstatterin der Zeitung während des ganzen Verhandlungstages überhaupt nicht im Gerichtssaal gewesen. Man könne sich überhaupt nicht erklären, dass sie „wörtlich“ aus einer Urteilsbegründung etwas zitiere, was bei der Urteilsbegründung Anwesende nicht gehört haben. Die Rechtsabteilung des Verlages erklärt, dass in keinem Punkt gegen den Pressekodex verstoßen worden sei. Die Fakten der Berichterstattung seien wahr. Tatsächlich sei die Berichterstatterin der Zeitung während der Urteilsbegründung nicht im Gerichtssaal gewesen, sie habe jedoch gemeinsam mit einem Kollegen das Gespräch mit dem Amtsrichter gesucht, der sie über den Ausgang des Verfahrens informiert habe. Auf Anfrage des Presserats erklärt der Präsident des mit dem Fall befassten Amtsgerichts, der von ihm zu Rate gezogene Gutachter habe seinerzeit Zweifel an der strafrechtlichen Verantwortung des Betroffenen geäußert. Dem Gutachter hätten in früheren Zeiten erstellte psychiatrische Gutachten, namentlich auch eine Krankenakte des Landeskrankenhauses vorgelegen. Und zwar sei im Jahre 1978 eine zwangsweise Unterbringung des Mannes mit der Diagnose „Verdacht auf querulatorische Psychose“ erfolgt. Die erstellten Gutachten hätten zwar eine entsprechende Persönlichkeitsstörung bejaht, jedoch eine Einschränkung der Schuldfähigkeit ausgeschlossen. Insoweit sei der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die damalige Bewertung unter heutigen Gegebenheiten der Überprüfung bedürfen. Zu einer neuerlichen Untersuchung sei es aber nicht gekommen, da der Betroffene seine Mitwirkung verweigert habe. Wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit sei daher auf Freispruch erkannt worden. (1999)