Gerichtsberichterstattung
Unter der Überschrift »Postbote (42) liebte Schülerin (11)« berichtet eine Lokalzeitung über ein Strafverfahren gegen einen Mann wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen. Dabei wird die Beziehung als eine Liebesromanze geschildert. Kind und Mutter werden im Foto präsentiert, mit Augenbalken unkenntlich gemacht. Vornamen und Alter sind angegeben. Ein Frauenbegegnungszentrum legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Dem erwachsenen Mann werde die Verantwortung für sein Handeln abgenommen durch die Schilderung der Tat als Kavaliersdelikt und das Aufzeigen von prominenten Beispielen, die zeigen, warum Männer junge Mädchen lieben (und umgekehrt). »Diese Darstellungsweise in der Zeitung fördert nach unserer Auffassung das Delikt des sexuellen Missbrauchs und macht sich damit im moralischen Sinne schuldig.« Die Gerichtsberichterstattung entspreche in allen Punkten der Wahrheit, entgegnet die Zeitung. Sie habe sich die wörtlich zitierten Äußerungen nicht zu eigen gemacht, vielmehr ergebe sich aus der Berichterstattung eindeutig, dass diese vom Angeklagten zum Zwecke der Verteidigung und seiner Rechtfertigung vor Gericht gemacht worden seien. (1994)