Überschriften unzulässig zugespitzt
Nicht alle 10.000 Jugendliche in NRW müssen tablettensüchtig sein
Unter den Überschriften „Tablettensucht unter Schülern nimmt zu“ und „Psychopharmaka – die neuen Schülerdrogen“ äußert sich eine Tageszeitung kritisch über Medikamente zur Behandlung von hyperaktiven Kindern und deren Missbrauch durch Suchtkranke. Allein in Nordrhein-Westfalen seien etwa 10.000 Jungen und Mädchen auf die Einnahme bestimmter Mittel angewiesen, schreibt das Blatt. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung warne davor, die Gefahr zu unterschätzen. Lehrer hätten ihr berichtet, dass Psychopharmaka sogar während der Pausen auf den Schulhöfen verkauft würden. Dabei handele es sich meist um die verschreibungspflichtige Substanz Methylphenidat, die als „Ritalin“ oder „Medikinet“ im Handel erhältlich sei. Die Zeitung zitiert einen renommierten Psychologen an der Kölner Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der sich über die Ursachen und Symptome der ADHS-Krankheit äußert und die Wirksamkeit der Präparate Ritalin und Medikinet beschreibt. Leider mangele es an sorgfältigen und zeitaufwendigen Diagnosen und die Psychopharmaka würden leider "viel zu schnell“ verschrieben. Ein Sprecher der Düsseldorfer Kinderärzte kommt in den Beitrag gleichfalls zu Wort. Er nimmt seine Fachkollegen in Schutz und gibt den Eltern rast- und ruheloser Kinder eine Mitschuld. Die bundesdeutsche Drogenbeauftragte vermerkt schließlich, dass weniger Kinderärzte und –psychiater einen großen Teil der Methylphenidat-Verordnungen vornehmen als vielmehr Haus- und Laborärzte, HNO-Ärzte, Frauenärzte, Radiologen und sogar Zahnärzte. Ein Leser der Zeitung nimmt die Veröffentlichung zum Anlass, sich beim Deutschen Presserat zu beschweren. Er ist der Ansicht, dass die Beiträge unbegründete Befürchtungen bei den Eltern wecken. Insbesondere kritisiert er die Begriffe „Tablettensucht“ und „Schülerdrogen“. Durch deren Verwendung werde einseitig vor einer Gefahr gewarnt, ohne dass die positiven Wirkungen der Medikamente erwähnt würden. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt in ihrer Stellungnahme, der Veröffentlichung des Artikels sei eine mehrtägige und umfangreiche Recherche auf der Grundlage des Berichts der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vorausgegangen. In diesem Zusammenhang seien Gespräche mit der Sprecherin einer Elterninitiative von Betroffenen mit hyperaktiven Kindern und drei Ärzten, einer Kinderpsychologin sowie einem Professor an der Kölner Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie geführt worden. In dem Beitrag würden keineswegs falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt oder einseitige Schlussfolgerungen gezogen. Sämtliche Aussagen seien durch die Informationen von Gesprächspartnern gedeckt. Das Medikament Ritalin werde in dem Beitrag keinesfalls einseitig dargestellt, sondern als durchaus sinnvolles Präparat bezeichnet, wenn eine sorgfältige und zeitaufwendige Diagnose vorliege. Die Überschriften seien von den Aussagen des Textes gedeckt. (2001)