Entscheidungen finden

Leichenfoto mit zynischer Unterzeile

Menschen werden zum bloßen Objekt herabgewürdigt

Unter der Überschrift „Ein Pfund Hand und drei Liter Blut, bitte!“ berichtet eine Zeitschrift über den Handel mit Leichenteilen in Nigeria. Sie schreibt, dass hier Friedhofsangestellte Leichen zerstückeln und die Einzelteile verhökern. Die Körperteile würden wie Gemüse ins Regal gelegt. Käufer seien Medizinmänner, die frisches Material für ihre Zaubermittel brauchten. Jetzt sei die Polizei dabei, Märkte mit Menschenteilen zu schließen. Problem dabei sei, dass es an Lagerplätzen für die Beweisstücke fehle. Dem Beitrag beigestellt ist ein Foto von drei Leichen. Die Bildunterzeile lautet: „Ballermann 6: Sangria, bis der Arzt kommt“. Ein Journalist sieht in dem Foto eine Verletzung der Menschenwürde und spricht den Deutschen Presserat an. Bei den Toten handele es sich offenbar um Opfer eines Verbrechens. Wer ein solch ernstes Foto mit einer in ihrem Sinn derart untertriebenen und falschen Bildunterschrift versehe, handele offenkundig allein zum Zweck der Belustigung. Der Mensch werde dadurch zum bloßen Objekt herabgewürdigt. Der Beschwerdeführer sieht auch Ziffer 11 des Pressekodex verletzt, da die dargestellte Brutalität nicht im Verhältnis zur Information im Text stehe. Die Chefredaktion der Zeitschrift bestätigt in ihrer Stellungnahme, dass die Bildunterschrift nicht den durch das Foto gegebenen Informationen entspreche. Dies gelte allerdings für jede Bildunterschrift in der Zeitschrift. Denn diese Art der Bildunterschriften sei Teil des Heftkonzepts. Sie seien ein wesentliches Stilmittel, ja gerade das Markenzeichen der Publikation. Dabei bewege man sich inhaltlich oft in satirischen und absurd überzogenen Bereichen. Die Sektion „Reporter“, die in das Heft hineinführe, berichte über Ereignisse und Vorkommnisse weltweit. Das Spektrum reiche dabei von seltsam über komisch bis grausam, absurd und skurril, so wie die Welt nun mal sei. Zum konkreten Fall stellt die Chefredaktion fest, dass man sich in der Tat in einem Grenzbereich bewege. Ihrer Auffassung nach ist die Schere zwischen Darstellung im Foto und der Bildunterschrift derart groß, dass durch diese so offensichtliche Absurdität keine direkte Beziehung zum Bildinhalt, der nicht zwingend vermutliche Opfer eines Verbrechens zeige, hergestellt werde. Allerdings seien auch andere Interpretationen möglich. Redaktionsintern haben man die Angelegenheit kontrovers diskutiert und beschlossen, künftig auf derartige Extreme zu verzichten. (2002)