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Bezeichnung „Hundefeindin“

Gemeinderatsmitglied sieht ein Zitat aus Zusammenhang gerissen

Eine Lokalzeitung kommentiert den Umgang des Gemeinderates mit den Hunden im Ort: „Erst haben die Gemeindevertreter in mehreren Sitzungen darüber debattiert, auf welche Weise man die Besitzer deutlicher schröpfen kann. Jetzt beschließen sie in einer Satzung auch noch die Anleinpflicht auf öffentlichen Gehwegen.“ In der Debatte darüber habe sich eine Grünen-Abgeordnete, so die Zeitung, erneut als gehässige Hundefeindin geoutet. Wörtlich habe sie gesagt: „Wenn der Hund frei auf der Straße läuft, dann hoffe ich, dass er von einem Auto überfahren wird.“ Die genannte Kommunalpolitikerin beschwert sich daraufhin beim Deutschen Presserat. Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Formulierung „gehässige Hundefeindin“ sei diffamierend. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, dass der Zwischenruf wörtlich richtig wiedergegeben wurde. Die Beschwerdeführerin versuche auch gar nicht, einen anderen Wortlauf geltend zu machen, geschweige denn zu belegen. Auch in der Beschwerde spreche sie nur davon, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Die Bewertung des Autors, die Abgeordnete habe sich „erneut“ als gehässige Hundefeindin geoutet, gehe auf eine Debatte in einer früheren Sitzung des Gemeindeparlaments zurück. Damals habe sich die – wie heute – aus denselben zwei Köpfen bestehende Fraktion der Grünen eindeutig für eine Luxussteuer für Hundebesitzer ausgesprochen und bekräftigt: „Bei denen können wir uns Geld holen“. Bei der Aufklärung des Sachverhalts stößt der Presserat auf einen Leserbrief, der im letzten Absatz folgende Passage enthält: „Jedes tierische Geschöpf auf unserem Planet hat vermutlich mehr Verstand als diese Frau, die sich auch noch Politikerin schimpft und sich auch noch zu einer solch dummen herzlosen Aussage hinreißen lässt.“ Das Gremium ist der Ansicht, dass diese Passage möglicherweise eine ehrverletzende Behauptung im Sinne von Ziffer 9 des Pressekodex darstellen könnte, und bittet die Chefredaktion um eine ergänzende Stellungnahme in diesem Punkt. Diese antwortet, der Schreiber des Leserbriefes habe zwar sehr kritisch reagiert und drastisch formuliert, seine Reaktion sei aber vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt, da die Aussage relativierend eingeschränkt werde. Es handele sich mithin um keine Schmähkritik, denn der Autor formuliere seine Kritik als Vermutung, die sich an eine Politikerin und nicht an eine Privatperson richte. Gleichzeitig werde der Beschwerdeführerin in dem Brief zu Gute gehalten, dass sie sich habe hinreißen lassen. Insgesamt ist die Zeitung der Ansicht, dass es einem Leser erlaubt sein muss, auf drastische Äußerungen mit einem drastischen Leserbrief zu antworten. (1999)