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Fotodokument der Zeitgeschichte

Boulevardzeitung zeigt ein Opfer der Moskauer Geiselnahme im Bild

Unter den Überschriften „Todes-Gas !“ und „So qualvoll starben 116 Geiseln“ berichtet eine Boulevardzeitung auf ihrer Titelseite über die spektakuläre Geiselnahme in einem Moskauer Musical-Theater. Russische Spezialeinheiten hatten die Kidnapper mit Gas betäubt und getötet. 750 Menschen wurden befreit, aber auch sie atmeten das Todesgas ein. Auf einem großformatigen Foto ist ein Opfer der Geiselnahme zu sehen, eine halb entblößte Frau, entweder bewusstlos oder tot. Das Foto löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Ein Leser kritisiert die Aufnahme als unangemessene Darstellung des Opfers eines Gewaltverbrechens und vermisst den Respekt gegenüber den Toten und ihren Angehörigen. In der Darstellung der entblößten Brüste der Frau erkennt er einen deutlich sexuellen Bezug, der keinen Mehrwert an Informationen bringe. Diesen sexuellen Bezug sieht er durch den Kontext der Veröffentlichung verstärkt, da auf der ersten Seite der Zeitung regelmäßig barbusige Modelle abgebildet seien. Das Opfer werde dadurch aus Profitinteressen zu einem Objekt erotischer und sadistischer Schaulust herabgewürdigt.. Gegen diese die Menschenwürde mißachtende Instrumentalisierung könne das Opfer sich zudem nicht wehren. Zudem vermutet er einen Eingriff in die postmortalen Persönlichkeitsrechte des Opfers. Ein anderer Leser sieht die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person missachtet. Das Opfer werde so erneut zum Opfer. Ein Jugendmedienzentrum moniert schließlich, dass ein Einverständnis der abgebildeten Frau offensichtlich nicht vorhanden sein könne, da diese wohl ohne Bewusstsein sei. Die Zeitung missachte den Opferschutz. Die Zeitung erklärt in ihrer Stellungnahme, dass es sich bei der Frau auf dem Foto nicht um eine Tote mit entblößten Brüsten und Schaum vor dem Mund handele. Die Abgebildete sei vielmehr eines der Geiselopfer, das nach der Befreiung in ein Krankenhaus gebracht werde. Da die Frau nicht mit entblößten Brüsten zu sehen sei, gebe es auch keinen deutlichen sexuellen Bezug, wie der Beschwerdeführer schreibe. Dessen Interpretation des Fotos könne man nicht nachvollziehen. Das Foto mache die Brutalität des Geschehens deutlich. Solche Fotos müsse man zeigen, um wachzurütteln und zu dokumentieren, wie die Folgen einer Geiselbefreiung aussehen könnten. Nur so könne man versuchen, derartige Versuche in Zukunft im Ansatz zu verhindern. Eine textliche Beschreibung helfe nicht, das Bewusstsein für die Zukunft zu schärfen. Optische Kritik sei vielmehr die Möglichkeit, auch denen, die meinen, auf diese Weise eine Befreiung durchführen zu können, zu zeigen, dass eine derartige Handhabung nicht hinnehmbar sei. (2002)