Ethnische Gruppen
Eine Zeitung teilt ihren Lesern mit, dass zwei Brüder wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen verurteilt worden sind. Im Schlusssatz der kurzen Meldung wird erwähnt, dass die beiden 27 und 29 Jahre alten Sinti wegen versuchten Mordes an ihrem Neffen angeklagt waren. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit der beiden Täter eine schlimme journalistische Praxis, die gerügt werden müsse. Er schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, die kritisierte Meldung könne nicht für sich allein betrachtet werden. In ihr werde lediglich über den Urteilsspruch in einem Prozess informiert, der Thema einer ausführlichen Berichterstattung gewesen sei. Die Anklage habe den beiden Männern versuchten Mord vorgeworfen, der sich im Rahmen eines Sippenstreits zwischen verfeindeten Familien zugetragen habe. Beide Parteien hätten sich gegenseitig die Schuld an der Dauerfehde zugeschoben. Zum Verständnis des gesamten Geschehens sei es deshalb notwendig gewesen, auf die Zugehörigkeit sämtlicher Beteiligter zur Gruppe der Sinti zu verweisen, da offensichtlich in der kulturellen Verwurzelung der Sinti das Motiv für die Tat zu suchen sei. In der kritisierten Meldung sei der Begriff “Sinti” lediglich dazu verwendet worden, dem Leser den Zusammenhang zwischen der Vorberichterstattung und der jetzt veröffentlichten Meldung über die Urteilsverkündung deutlich zu machen. (1996)