Leserbrief sinnentstellt
Kritik wird durch Kürzung zur Zustimmung
Der USA-Korrespondent einer Tageszeitung kommentiert zustimmend die Kriegspläne der Vereinigten Staaten gegen Saddam Hussein und den Irak. Eine Woche später veröffentlicht das Blatt die Reaktion seiner Leser, darunter den Leserbrief eines Berufskollegen. Dieser beklagt beim Deutschen Presserat, dass seine Zeilen sinnentstellend gekürzt worden seien. Seine Zuschrift habe aus insgesamt sechs Sätzen bestanden. In den ersten drei Sätzen habe er in Kurzform die wesentlichen Aussagen des Kommentators referiert. In den drei folgenden Sätzen habe er dann seine Kritik formuliert. Diese drei letzten Sätze seien von der Redaktion gestrichen worden, so dass aus seiner scharfen Kritik ein zustimmender Text geworden sei. Der Autor des Leserbriefes hatte zum Schluss festgestellt: „Selten zuvor ist in deutscher Sprache ein so zynischer und zugleich törichter Kommentar erschienen. Herr ... ist ein furchtbarer Journalist ! Das Erscheinen dieses gefährlichen Unsinns ist ein Tag der Schande für die ... !“ Die Chefredaktion erklärt in ihrer Stellungnahme, dass der zweite Teil des Briefes beleidigende Äußerungen über den Amerika-Korrespondenten der Zeitung enthalte. Diese seien deshalb gestrichen worden. Dabei sei einzuräumen, dass die Veröffentlichung des Briefes insgesamt besser unterblieben wäre, weil er außer den äußert abfälligen Bemerkungen keine weiterführenden diskutierenswerten Argumente enthalte. (2002)