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Geiselnahme

Konzern sieht Freilassung der Geisel durch Meldung gefährdet

Ein Nachrichtenmagazin meldet, der Niederlassungsleiter eines deutschen Pharmakonzerns in Guatemala sei vor einer Woche aus seiner Wohnung entführt worden. Eine bisher unbekannte Guerilla-Organisation fordere für die Freilassung des Managers fünf Millionen Dollar. Der 46-jährige deutsche Familienvater, der mit einer Südamerikanerin verheiratet sei, lebe seit mehreren Jahren in Guatemala. Die Meldung löst eine Beschwerde des Pharmakonzerns aus. Auswärtiges Amt und Unternehmen hätten zur Vermeidung von zusätzlichen Risiken für den Entführten die Medien, die in dieser Sache mit einer zuständigen Stelle Kontakt aufgenommen hätten, um ein abgestimmtes Verhalten ersucht und gebeten, auf eine Berichterstattung über den Fall bis zu dessen Abschluss zu verzichten. Im Falle der vorliegenden Veröffentlichung sei nach eigenen Erkenntnissen weder der Pharmakonzern noch eines der zuständigen Ämter von der Redaktion kontaktiert oder befragt worden. Wie aus einem Brief der Redaktion hervorgehe, habe sich die Redaktion nicht einmal bemüht, bei der Firma zu diesem Vorgang nachzufragen. Angesichts der erkennbaren Brisanz einer laufenden Entführung sehe man jedoch die journalistische Pflicht zur Recherche besonders hoch an. Man hätte erwartet, dass sich das Magazin die Meldung vor der Veröffentlichung von dem Unternehmen oder von in Deutschland beteiligten Behörden bestätigen lassen würde. Da dies offenbar nicht der Fall gewesen sei, habe weder das Auswärtige Amt noch die Firma des Entführten Gelegenheit gehabt, die Magazinjournalisten auf die Brisanz einer möglichen Veröffentlichung aufmerksam zu machen. Die Rechtsabteilung des Magazins teilt mit, dass dpa bereits am 10. Mai 2001 gemeldet habe, ein Deutscher sei in Guatemala entführt worden und die deutsche Botschaft in Guatemala habe diese Entführung bestätigt. Daraufhin habe ein Mitarbeiter der Redaktion Quellen aus dem Sicherheitsapparat des Bundesrepublik angesprochen, die ihm seit Jahren als zuverlässig und vertrauenswürdig bekannt seien. Von diesen Quellen sei ihm der Sachverhalt bestätigt worden. Zusätzlich habe er weitere Detailinformationen, so z.B. den Namen des Betroffenen, erhalten. Auf Grund dieser Informationen sei es nicht erforderlich gewesen, noch bei dem Pharma-Unternehmen oder beim Auswärtigen Amt anzurufen. Das Magazin habe daraufhin in zutreffender Weise ohne Nennung des Namens des Betroffenen kurz über den Sachverhalt berichtet. Diese Meldung unterscheide sich zu vorangegangenen dpa-Meldungen nur darin, dass als zusätzliches Detail der Name des Unternehmens und die Höhe des Lösegeldes enthalten waren. Die Rechtsabteilung ist der Ansicht, dass die kurze Meldung die Bemühungen zur Freilassung des Entführten nicht gefährdeten. Dies zum einen schon deshalb, da das Magazin in Guatemala nicht verbreitet werde. Des Weiteren auch deshalb, weil der Name des Entführten nicht genannt werde. Bei der kurzen Berichterstattung habe die Redaktion das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen das Interesse des Opfers und anderer Betroffener abgewogen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass auf Grund der Gefahrenlage in Südamerika und der Umstände, dass dort immer wieder deutsche Manager entführt würden, die Öffentlichkeit an der bloßen Nachricht ein erhebliches Interesse habe. Über Entführungen in Südamerika werde – leider nahezu täglich – berichtet. Die Berichterstattung darüber habe nach Kenntnis der Redaktion bislang in keinem einzigen Fall zu einer Gefährdung der Geiseln geführt. (2001)