Betroffene nicht gehört
Auch die Gegenseite zu hören, ist ein journalistischer Grundsatz
Unter der Überschrift „Eine Verhöhnung unserer Arbeit“ berichtet eine Regionalzeitung über die Konsequenzen, die der Lehrer einer Musikschule aus einem Gespräch zieht, das er mit Mitgliedern der SPD-Kreistagsfraktion über die „düstere Lage“ der Musikschule geführt hat. Mit fassungslosem Entsetzen habe der kämpferische Diplom-Rock-Gitarrist zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich Teile der SPD-Fraktion eines großen Teils ihrer Verantwortung für Bildung und Kultur zu entziehen versuchten. Die Zeitung zitiert aus einem Brief des Musikpädagogen, in dem dieser dem Fraktionsvorsitzenden und dessen Mitstreitern Arroganz, Ignoranz, Inkompetenz sowie Mangel an Einsichtsfähigkeit in einem Maße vorwerfe, wie er es in vielen Gesprächen mit vielen Politikern aller Couleur noch nicht erlebt habe. Eine derartige Geringschätzung, teils geradezu eine Verhöhnung der Arbeit, der Ziele und des Einsatzes der Schule, ebenso von Schülern und deren Eltern, sei ihm bisher fremd gewesen. Energisch lehne es der Dozent ab, die Musikschule zu einem Spielball der Parteien verkommen zu lassen. Ähnlich äußert sich ein Musikwissenschaftler, der gleichfalls an dem „vertraulichen“ Gespräch mit den Kommunalpolitikern teilgenommen hatte. Der angesprochene Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion wehrt sich gegen diese Berichterstattung mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Beitrag der Zeitung informiere nicht sachlich. Einseitig werde über die Ansicht des betroffenen Musiklehrers berichtet, ohne den Lesern die Argumente der SPD-Fraktion mitzuteilen. Die wiedergegebene Kritik sei zudem ehrverletzend. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, der betroffene Musiklehrer und sein Kollege hätten sich an die Zeitung gewandt mit der Bitte, über die Angelegenheit zu berichten. Dem Verfasser des Artikels sei es darauf angekommen, die Stimmungslage wiederzugeben, in der sich die beiden Musiklehrer nach dem Gespräch befunden hätten. Das politische Gezänk um die Schule sei bereits mehrfach Thema von Berichten gewesen. Als der Beschwerdeführer sich über den Artikel beschwert habe, habe man ihm angeboten, in einem weiteren Artikel seine Sicht der Dinge darzustellen. Davon habe er jedoch keinerlei Gebrauch gemacht. Insgesamt könne die Chefredaktion an keiner Stelle des kritisierten Berichts Beleidigungen oder Herabsetzungen erkennen.