Selbsttötung
Ein Mann springt aus dem 14. Stockwerk eines Wohnungsamtes. Eine Boulevardzeitung berichtet darüber. Eine der Schlagzeilen lautet: »Arbeitslos! Freundin weg! Da sprang er in den Tod:« Ein Foto zeigt den Toten unmittelbar nach dem Aufprall. Ein weiteres Foto »aus glücklicheren Tagen« stellt ihn zu Lebzeiten in Gesellschaft einer Freundin vor. Die Frau ist durch einen' schwarzen Balken anonymisiert. Der 78-jährige Sohn des Toten lässt durch seinen Anwalt Beschwerde beim Deutschen Presserat einlegen. Die Zeitung habe in äußerst geschmack- und pietätloser Form in das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen eingegriffen. Der Chefredakteur erklärt, erst die Hintergründe der Tat hätten die Redaktion bewogen, über den Fall zu berichten. Ein Freund des Verstorbenen habe nämlich darauf hingewiesen, dass der Betroffene 30 Stunden vor der Tat einen ersten Selbstmordversuch mit Tabletten unternommen habe. Im Krankenhaus sei die Selbstmordgefahr aber offensichtlich nicht erkannt worden. (1995)