Rollenspiel mit Unbeteiligten
Daten dreier Finanzbeamter in ironischer Fernsehvorschau missbraucht
In einer Glosse unter der Überschrift „Finanzmilljöh“ kündigt eine Tageszeitung eine Fernsehserie an, die zu Beginn des neuen Jahres unter dem Titel „Finanzamt Mitte – Helden im Amt“ auf SAT 1 ausgestrahlt werden soll. Die Überschrift des einspaltigen Beitrages ist kursiv gesetzt. Der Autor hat der Internetseite des Berliner Finanzamtes Mitte/Tiergarten die Namen einer Leitenden Regierungsdirektorin, eines Regierungsdirektors und eines Steueramtsrates sowie die Nummer des Hausanschlusses der drei Beamten entnommen und bezieht diese Daten in seine Betrachtung der Presseankündigung der bevorstehenden Serie ein. Hierdurch wird suggeriert, dass es sich bei dem Finanzamt der Fernsehserie um das Finanzamt Berlin Mitte/Tiergarten handelt. „Wir wissen noch nicht alles, was so getrieben wird im Finanzamt Mitte“, heißt es da. Aus sicherer Quelle wisse man aber, dass es sich bei dem „emsigen Treiben“ dort um den „ganz alltäglichen Wahnsinn in deutschen Büros handele“. Mit Formulierungen wie „Hier lässt man gerne mal fünf gerade sein, wenn die Arbeit für den Fiskus gerade massiv stört“ oder „Alle arbeiten für ein Ziel – mehr Steuern für den Fiskus - , aber alle stehen sich auch irgendwie im Weg“ wird die Arbeit des besagten Finanzamtes in dem Artikel beschrieben. Dabei werden die Namen der drei Finanzbeamten mehrere Male erwähnt. In einem der Zeitung vorliegenden Papier sei von „attraktiven Verlockungen“ im Finanzamt Mitte die Rede. Es gehe aber offenbar nicht um Korruption, sondern um eine Sekretärin und eine „junge türkische Kollegin“. Jetzt könne man sein moralisches Urteil nicht mehr zurückhalten: „Sodom und Gomorrha im Finanzamt Mitte !“ Die drei mehrmals genannten Finanzbeamten legen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Ihre Recherchen haben ergeben, dass in der Fernsehserie ein rein fiktives Finanzamt beschrieben wird, welches weder mit dem Finanzamt Berlin Mitte/Tiergarten noch mit irgendeinem anderen Finanzamt identisch ist. Für Durchschnittsleser sei nicht erkennbar, dass es sich bei dem Artikel um eine Glosse handele. Dass eine kursiv gedruckte Überschrift auf eine Glosse hindeute, sei entgegen der Meinung der Verantwortlichen im betroffenen Verlag nur Insidern bekannt. Abgesehen davon sei es auch in einer satirischen Glosse nicht zulässig, die Daten Unbeteiligter zu verwenden. Wörtlich schreiben die Beschwerdeführer: „Mit unserer Zustimmung zur Verwendung unserer Namen im Internet durch unseren Dienstherrn haben wir uns nicht unserer gegenüber der Presse bestehenden Rechte, insbesondere des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, entäußert und uns zum Freiwild für skrupellose Reporter gemacht.“ Der Artikel sei in einer Weise verfasst, die den Ruf der Betroffenen schädige und sie in ihrer Berufsehre öffentlich verletze. Das Verhalten der Zeitung gipfele in der Weigerung, den diskriminierenden Artikel aus ihrem Internet-Archiv zu entfernen, so dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte kontinuierlich fortdauere. Die Geschäftsführung des Verlages kann in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen die journalistische Berufsethik nicht erkennen. Bei dem beanstandeten Beitrag handele es sich um eine Glosse, die eine Fernsehserie und deren Presseankündigung ironisiere. Der Leserkreis der Zeitung habe dies nicht anders gesehen. Leserbriefe oder sonstige Beschwerden zu „Finanzmilljöh“ seien bei der Redaktion nicht eingegangen. So weit die Beschwerdeführer in der Glosse identifizierbar dargestellt worden seien, gehe dies allein darauf zurück, dass ihre Namen ohnehin für jedermann auf der Internetseite der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen frei zugänglich seien. Selbst wenn man der Ansicht der Beschwerdeführer folgen sollte, wäre dennoch zu berücksichtigen, dass sich die Redaktion der Zeitung von vornherein um Schadensbegrenzung bemüht habe. Man habe sein aufrichtiges Bedauern ausgedrückt und vorsorglich eine Klarstellung für den Tag der Erstausstrahlung der Fernsehserie angekündigt. In einem umfangreichen Beitrag sei dann auch ausdrücklich hervorgehoben worden, dass die in der neuen Serie dargestellten fiktiven Geschehnisse nichts mit dem tatsächlich existierenden Finanzamt Mitte/Tiergarten zu tun haben. Darüber hinaus sei den Beschwerdeführern angeboten worden, sich am Tag nach der Erstausstrahlung der Fernsehserie in einem Interview zu äußern. Dies hätten die drei Betroffenen jedoch abgelehnt. Schließlich sei auch ohne rechtliche Verpflichtung der im elektronischen Archiv der Zeitung gespeicherte Beitrag dahingehend geändert worden, dass die Glosse nunmehr untrennbar mit dem klarstellenden Bericht verbunden sei. (2002)