Entscheidungen finden

Nationalität eines Verdächtigen

Türke unter Mordverdacht ist in Wirklichkeit ein Deutscher

Eine Regionalzeitung informiert ihre Leserinnen und Leser über einen Mord: Ein 29-jähriger Türke betritt die Teestube eines türkischen Kulturvereins, setzt wortlos eine Pistole an den Hinterkopf eines 38-jährigen Landsmanns, streckt diesen mit fünf Schüssen nieder und stellt sich der Polizei. Nach Angaben der Kriminalpolizei habe der Täter seit Jahren vorgehabt, seinen Kontrahenten umzubringen – wegen Differenzen am ehemals gemeinsamen Arbeitsplatz. Am folgenden Tag präzisiert die Zeitung den Tathergang. Die Obduktion der Leiche habe ergeben, dass der Täter insgesamt sieben Schüsse abgegeben habe. Ein Leser der Zeitung reicht Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Der Verdächtige sei zwar türkischer Abstammung, besitze aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Dies habe er bei der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage erfahren. Die Zeitung habe demnach falsch berichtet und diskriminiert. Sie habe ihren Lesern bewusst vorenthalten, dass es sich bei dem Beschuldigten um einen deutschen Staatsbürger handele. Die Chefredaktion der Zeitung berichtet, in sämtlichen Auskünften von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft gegenüber dem recherchierenden Redakteur sei durchweg von „Türken“ gesprochen worden, in Bezug sowohl auf den Täter als auch auf das Opfer. Auch direkt am Tatort hätten sich Augenzeugen und Angehörige von Täter und Opfer in der selben Weise geäußert. Von niemandem sei ein einziger Hinweis gekommen, dass der Täter einen deutschen Pass besitze. Aus diesen Gründen weise man die Unterstellung des Beschwerdeführers, man habe eine ethnische oder nationale Gruppe absichtlich diskriminiert, nachdrücklich zurück. Die Berichterstattung beruhe auf seriösen Recherchen nach bestem Wissen und Gewissen. Auf Anfrage übersendet die zuständige Staatsanwaltschaft dem Presserat den Personalbogen des Verdächtigen, in dem als Staatsangehörigkeit „deutsch“ angegeben ist. (2000)