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Rechtsprechung

Unter der Überschrift “Haben DDR-Richter das Recht gebeugt?” unternimmt der Autor eines Zeitschriftenbeitrags den Versuch, die Frage zu beantworten, inwieweit Juristen nach einem Systemwechsel für ihre Berufsausübung haftbar zu machen sind. Dabei vergleicht er die Situation nach dem Krieg mit derjenigen nach der deutschen Vereinigung. Am Ende seines Artikels resümiert er: “Gewiss lässt sich das meiste, was man willfährigen Richtern politisch-moralisch vorhalten kann, gar nicht in den Kategorien des Strafrechts fassen. Dass sie aber nicht ganz ungeschoren davonkommen sollen, scheint ebenso klar. ... Ansonsten gelangt man in die Gesellschaft des ehemaligen Marine-Stabsrichters Filbinger, der den Satz prägte: ‘Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein’. Es ist der Glaubenssatz der organisierten Verantwortungslosigkeit.” Der so zitierte Ministerpräsident a.D. und jetzige Rechtsanwalt beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Vorwurf der “Verantwortungslosigkeit” stelle eine Ehrverletzung dar. Die verfälschende Wiedergabe seiner Äußerung sei erstmals im Jahre 1978 im Rahmen einer gegen ihn geführten Rufmordkampagne erfolgt, an der die Stasi maßgeblich mitgewirkt habe. Er habe seinerzeit sofort dementiert und auch gerichtliche Hilfe gegen die Weiterverbreitung in Anspruch genommen. “Der Verfasser des Beitrags hatte die Pflicht, die Tatsachen sorgfältig zu erforschen, und hat dagegen grob fahrlässig verstoßen.” Es wäre nach Ansicht des Beschwerdeführers ein leichtes gewesen, sich anhand der Äußerungen einzelner Zeitzeugen und vieler Veröffentlichungen bis in die jüngste Zeit hinein über die wirklichen Tatsachen zu unterrichten. Der Herausgeber der Zeitschrift stellt fest, der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass er die in dem Essay wiedergegebene Aussage “Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein” tatsächlich gemacht hat. Ob man den Satz, wie es der Autor des Beitrags getan habe, zugleich als “Glaubenssatz der organisierten Verantwortungslosigkeit” bezeichnen könne oder nicht, seine eine Frage einer komplexen historischen und moralischen Bewertung, die hier nicht zu entscheiden sei. Die Klärung könne nur durch historische und rechtstheoretische Forschung herbeigeführt werden. Die vom Beschwerdeführer beigefügten Quellenangaben beinhalteten lediglich die positiven Stellungnahmen zu seiner Tätigkeit in der deutschen Wehrmacht. (1997)