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Selbsttötung

Leben und Selbstmord des Nachlass-Verwalters eines bekannten Schauspielers sind Thema eines umfangreichen Beitrags in einer Boulevardzeitung. Die Zeitung nennt den Toten einen “widerlichen Erbschleicher”, “hinterhältigen Geizhals” und “ertappten Lumpen”, verwendet Begriffe wie “Lumpenstück” und “vergast”. Ein Freund des Rechtsanwalts beschwert sich beim Deutschen Presserat. Durch die insgesamt sehr negative Darstellung werde die Würde des Toten verletzt. Die Leitung der Redaktion betont, man habe mit dem Begriff “vergasen” keinen Bezug zum Holocaust herstellen, sondern informieren wollen, dass der Mann mit den Abgasen seines Autos Selbstmord verübt habe. Das Vorgehen des Nachlass-Verwalters sei in der Tat ein “Lumpenstück” gewesen. Ein Rechtsanwalt, der den amtlichen Auftrag hatte, ein Vermögen zu verwalten, und es der Erbin mit Hilfe eines selbstverfassten Erbvertrages dann wegnehme, sei nicht nur ein widerlicher Erbschleicher, sondern auch ein Lump. Jeder ehrliche Bayer, der nicht wie der Beschwerdeführer diesem Advokaten persönlich verbunden sei, würde das so sehen. Die Zeitung habe die Menschenwürde des Toten nicht verletzt, da es keinen Anspruch gebe, dass mit dem Tod Schandtaten zugedeckt werden. Die Redaktion verweist darauf, dass die Öffentlichkeit durchaus Anspruch darauf habe, über die Hintergründe des Selbstmordes informiert zu werden. Eine Lebensgeschichte mit einem solchen Hintergrund für einen Selbstmord dürfe bei einer stadtbekannten Person nicht verheimlicht werden. (1997)