Namen eines Küsters genannt
Schwierigkeiten bei der Gestaltung einer Totenfeier in der Kirche
Eine Regionalzeitung berichtet über die „traurigen Begleitumstände“ bei der Beerdigung eines 20 Monate alten Jungen, der im Mühlenbach seines Wohnortes ertrunken war. Die Eltern hätten ihrem Sohn eine würdige Totenfeier bereiten wollen, schreibt die Zeitung. Doch der Küster des Ortes habe den Wunsch der Eltern, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, nicht erfüllen wollen. Der Pastor der Pfarrei sei in Urlaub gewesen. Sein Stellvertreter aus der Nachbargemeinde habe ausdrücklich darauf bestehen müssen, dass das Gotteshaus für die Feier und die gewünschte Aufbahrung überhaupt geöffnet werde. Die Zeitung zitiert den Ortsbürgermeister. Der Mann habe sich an seine Statuten halten und kurz vor der Pensionierung keinen Ärger haben wollen. Deshalb habe er auch die Orgel nicht zur Verfügung stellen wollen, wie er ihn verstanden habe. Der Küster selbst stelle die Sache anders dar. Er habe trotz Bedenken gesagt: „Ich schließe morgens die Kirche auf, was dann drin passiert, geht mich nichts an!“ Er habe auch keine Einwände gegen den Einsatz eines anderen Organisten erhoben. Weil sie sich in diesem Umfeld nicht gut aufgehoben sahen, hätten die Eltern ihre Totenfeier zu Hause gehalten. Auch auf das Glockengeläut habe die Trauergesellschaft verzichten müssen. Geläutet habe es um 14.40 Uhr, als der kleine Zug noch gar nicht auf dem Friedhof gewesen sei. Um 15 Uhr habe er einen anderen Termin gehabt, habe der Küster verlauten lassen. Ein Leser der Zeitung erhebt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er kritisiert den Boulevardstil des Artikels und beanstandet die Namensnennung des Küsters. Dass es auch ganz anders gewesen sein könne, werde mit den zitierten Aussagen des Küsters angedeutet. Der erklärende Kontext aber fehle. Dazu hätte es einer intensiveren Recherche bedurft, um so ein objektives Bild des Geschehens zu zeigen. Beispielsweise um zu erläutern, welche strengen Sitten und Bräuche bei der Aufbahrung von Toten auf dem Lande herrschten. Oder um zu fragen, ob der Küster nicht doch im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten die Türe für eine würdige Beerdigung eines Nicht-Katholiken geöffnet habe. Vielleicht hätte man dann auch herausgefunden, dass der Küster vor einigen Jahren selbst die Tochter durch einen Unfall verloren habe. Die Chefredaktion der Zeitung lässt wissen, dass der Autor bewusst das Stilmittel verwendet habe, die Situation der betroffenen Familie detailgenau zu schildern. Die Gegebenheiten seien in Featureform lesernah wiedergegeben worden. Die emotionale Spannung mache den Reiz des Artikels aus. Eine Anonymisierung der Thematik sei aus praktischen Gründen unmöglich gewesen. Es habe in der Region nur einen solchen Todesfall gegeben und die Gemeinde habe auch nur einen Küster. Die Vorgänge rund um die Beerdigung des Kindes seien zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ohnehin längst Dorfgespräch gewesen. Eine Anonymisierung sei in der Sache auch nicht notwendig gewesen, da es sich hier nicht um ein strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson, sondern um das Handeln eines Vertreters der Kirche als Amtsträger handele. (2001)