Verdeckte Recherche
Ein ehemaliger Polizeibeamter wird beim Amtsgericht vorgeführt, nachdem er in Zaire festgenommen und in die Bundesrepublik zurückgebracht worden war. Seitdem er seinen Dienst quittiert hat, soll er gemeinschaftlich mit anderen drei schwere Raubüberfälle begangen haben. Der Fall hat Aufsehen erregt. Schließlich war der Mann als ehemaliger „Vorzeigepolizist“ einmal Mittelpunkt einer bundesweiten Anzeigenkampagne gewesen. Jetzt hat ihn die Staatsanwaltschaft unter Zeugenschutz gestellt. Deshalb war der Mann nach seiner Rückkehr, wie eine Boulevardzeitung schreibt, zunächst an einem „geheimen“ Ort festgehalten worden. Die Zeitung widmet dem Vorgang eine komplette Seite. Der Pressereferent des Staatsministeriums der Justiz schaltet darauf hin den Deutschen Presserat ein. Er beanstandet die Recherchemethoden der Verfasserin. Diese soll sich bei Gericht als Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei ausgegeben haben, um Informationen über die Sachlage zu erhalten. Damit habe sie falsche Tatsachen vorgespielt. Aus einem Vermerk des Pressesprechers beim Amtsgericht gehe hervor, dass eventuelle Fragen von Pressevertretern nach Ort und Zeitpunkt der Vorführung des mutmaßlichen Täters nicht beantwortet werden sollten. Der Telefonanruf der Journalistin sei zunächst bei einer Richterin gelandet. Ihrzufolge habe sie sich eine Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei, welche die Verteidigung des Beschuldigten übernommen hat, gemeldet und sich erkundigt, ob der betreffende Rechtsanwalt zu sprechen sei. Bei der Übergabe des Gesprächs an den Pressesprecher des Gerichts habe dieser festgestellt, dass es sich bei der Anruferin um die Redakteurin der Zeitung handle. Diese habe ihn direkt darauf angesprochen, ob an dem betreffenden Tag der Beschuldigte beim Amtsgericht vorgeführt werde. Diese Frage sei ihr selbstverständlich nicht beantwortet worden. Die Zeitung bezeichnet in ihrer Stellungnahme den geschilderten Sachverhalt als unzutreffend wiedergegeben. Die Kollegin habe sich bei ihrem Anruf im Amtsgericht mit vollem Namen vorgestellt und gebeten, mit dem Verteidiger des Beschuldigten verbunden zu werden. Hierbei habe sie weder wörtlich noch sinngemäß angegeben, Mitarbeiter der Kanzlei des Strafverteidigers zu sein. Auch dem Pressesprecher des Gerichts habe sie erneut ihren Namen genannt. Die Richterin, die den Anruf als erste angenommen hat, erklärt auf Rückfrage des Presserats: „Es erreichte mich ein Telefonanruf einer Anruferin, die sich mit Rechtsanwaltsbüro .... meldete, sie nannte keinen Namen, ich kannte sie nicht.“ (1996)