Intensive Diskussion über Kodex-Richtlinie
Mutmaßliche Bande kann als „Sinti- und Roma-Clan“ bezeichnet werden
„Großfamilie auf Diebestour“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung über den Prozess gegen zwei Mitglieder einer polnischen Bande. Diese wird in der Dachzeile des Beitrages als „polnischer Sinti- und Rom-Clan“ bezeichnet. Dieser bestehe aus etwa 80 Personen. Gegen die Hälfte von ihnen werde immer wieder ermittelt. Der Vorwurf: Sie hätten über Mittelsmänner Autos angemietet und dann nach Polen verschoben. Die Mittelsmänner – so die Zeitung – seien dann selbst spurlos nach Polen entschwunden. Zusätzlich gehe es in dem Prozess um Diebstahl und Betrügereien. Zwei Leser wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Sie sehen Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Es sei überflüssig, die Zugehörigkeit der Beschuldigten zur Minderheit der Sinti und Roma in den Vordergrund zu stellen. Die Bezeichnung „Sippe“ im Text sei ebenfalls dazu geeignet, Vorurteile zu schüren. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe berichtet, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Redaktion werde der Inhalt der Richtlinie 12.1 des Kodex kontrovers diskutiert. Nach Ansicht der Redaktion lasse sich ein begründbarer Sachbezug nicht pauschal definieren, sondern müsse im Einzelfall beurteilt und entschieden werden. Die Redaktion habe es in letzter Zeit oft mit Grenzfällen zu tun gehabt. Diese häuften sich, da die Behörden inzwischen dazu übergegangen seien, die ethnische und nationale Herkunft von mutmaßlichen Tätern pauschal zu nennen. Sie wollten sich nicht dem Vorwurf aussetzen, etwas zu verschweigen. Dennoch stehe die Redaktion nach wie vor in der Pflicht, im Einzelfall zu prüfen, ob sie die Information der Behörden an die Leser weiterreiche oder nicht. Im vorliegenden Fall bekräftigt der Chefredakteur, dass die Redaktion richtig entschieden habe. Ohne Kenntnis des kulturellen Hintergrundes sei es für die Leser nahezu unmöglich, die beschriebenen Ermittlungsschwierigkeiten zu verstehen und einzuordnen.