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Mädchen am helllichten Tag ermordet

Das Verbrechen von Kandel (Pfalz) beschäftigt den Presserat

„Afghane (15) ersticht deutsches Mädchen“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über den Mord von Kandel (Pfalz). Die Nationalität des mutmaßlichen Täters wird in Text, Überschrift und in Bildtexten insgesamt fünf Mal genannt. Zwei Leser der Zeitung sehen einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12,1 (Diskriminierungen bzw. Berichterstattung über Straftaten) des Pressekodex. Da die Polizei zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch keine Angaben über das Tatmotiv gemacht habe, könne die Nennung der Nationalität unter den „verstärkenden Hinweisen“, das Opfer sei Deutsche und ein Mädchen, Vorurteile gegen Minderheiten schüren. Dies sei bei Twitter bereits geschehen. Der Täter werde zudem auf seine Nationalität reduziert. Nur einmal werde er als „der Festgenommene“ bezeichnet, sonst immer als „Afghane“. Der Chefredakteur nimmt Stellung. Richtlinie 12.1 im Pressekodex besage klar, dass die Nennung der Herkunft des Täters bei besonders schweren Straftaten zulässig sei. Daran könne im Mordfall Kandel kein Zweifel bestehen. Nicht nur der Mord, auch der Tathintergrund sei als außergewöhnlich anzusehen, jedenfalls mit Blick auf das Alter des Täters und des Opfers. Hinzu komme, dass die Tat in der Öffentlichkeit und am helllichten Tag begangen worden sei. Der Chefredakteur vertritt außerdem die Ansicht, es liege keine diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens vor. Die Nennung der Herkunft des mutmaßlichen Täters sei geboten gewesen, um den Leser vollständig zu informieren und das Geschehen richtig einzuordnen. Praktisch alle Medien hätten auf gleiche Weise berichtet.