Eine alte Dame um ihr Vermögen gebracht
Kurz vor dem Urteil nimmt sich der Beklagte das Leben
Eine Regionalzeitung berichtet über einen Gütetermin vor der Zivilkammer eines Landgerichts. Einem Ehepaar wird vorgeworfen, die Freundschaft einer 86-Jährigen erschlichen und sie um rund zwei Millionen Euro in Form von Geld, Goldbarren, einer Eigentumswohnung und einem Hausgrundstück gebracht zu haben. Die alte Dame fordert diese Vermögenswerte nun vor Gericht zurück. Einige Wochen später berichtet die Zeitung über das Urteil. Dort heißt es unter anderem: „Nach dem Gütetermin mit sich abzeichnenden hohen Rückforderungen und vor dem Hintergrund eines Ermittlungsverfahrens kam es zu einer Verzweiflungstat: Der Mann nahm sich das Leben.“ Beschwerdeführerin in diesem Fall ist die Anwältin des Beklagten. Sie trägt den dem Gütetermin zugrundeliegenden Sachverhalt aus ihrer Sicht vor und ergänzt, gegen die Beklagte und ihren verstorbenen Ehemann sei aufgrund einer Anzeige der Klägerin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, das noch nicht abgeschlossen sei. Der Zeitungsbericht erwecke den Anschein, als gebe es ein Ermittlungsverfahren wegen der Behauptung, der verstorbene Beklagte habe die Klägerin umbringen wollen. Das sei nicht richtig. Der Artikel beinhalte zum Teil die Wiedergabe eines Sachverhalts als Tatsache, der weder in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen sei noch im Zusammenhang mit den gegen die Beklagten geführten Ermittlungen stehe. Durch die Darstellung der Zeitung werde der Anschein erweckt, es handele sich um erwiesene Tatsachen und ihre Mandanten seien die Täter. Die Zeitung habe ihren Namen genannt, ohne dass dafür ein öffentliches Interesse bestanden habe. Dadurch würden ihre Mandanten identifizierbar. Außerdem würden ihre Mandanten durch die Art der Berichterstattung vorverurteilt. Später weitet die Anwältin ihre Beschwerde auf die Folgeberichterstattung aus. Die Interpretation des Suizids des Beklagten stehe der Zeitung nicht zu. Die Redaktion stelle die Selbsttötung so dar, als habe sich der Beklagte nach dem Gütetermin mit sich abzeichnenden hohen Rückforderungen und vor dem Hintergrund eines Ermittlungsverfahrens das Leben genommen. Nach Angabe der Frau des Beklagten sei vielmehr Auslöser für die Verzweiflungstat gewesen, dass der Beklagte sehr unter dem Gesichtsverlust wegen des Zeitungsberichts gelitten habe, was er offenbar nicht mehr habe ertragen können. Nach Ansicht der Anwältin hat der Journalist die Selbsttötung ohne nähere Kenntnis und Recherche so interpretiert, dass die in den Artikel verbreiteten Vorurteile bestätigt würden. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung: Die Nennung des Namens der Anwältin sei nicht zu beanstanden, da die Beschwerdeführerin in einer öffentlichen Hauptverhandlung als Prozessbevollmächtigte aufgetreten sei. Eine Identifizierung der Beklagten durch diese Namensnennung sei wohl kaum möglich. Entgegen der Behauptung der Anwältin habe die Redaktion keine identifizierenden Merkmale genannt, die über den ohnehin schon eingeweihten Kreis hinaus Rückschlüsse auf die Identität der Mandanten zuließen. Der Chefredakteur setzt sich mit allen Vorwürfen der Anwältin auseinander und kommt zu dem Schluss, dass die Beschwerde unbegründet sei.