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„Man will wissen, wer diese Glückspilze sind“

Chefredakteur: Das ist Berichterstattung von öffentlichem Interesse

Eine Frau gewinnt mit der Teilnahme an einer Lotterie eine Million Euro. Darüber berichtet die örtliche Zeitung in der Printausgabe. Die Redaktion nennt den Lotterie-Anbieter namentlich. Eine andere Zeitung am Ort berichtet darüber, dass der TV-Moderator Kai Pflaume zwei Frauen im Verbreitungsgebiet Lotto-Gewinne überreicht habe. Auch hier wird der Anbieter genannt. Dieser Beitrag wird auf der Titelseite angerissen, und zwar mit einer Ankündigung des Beitrages im Innern des Blattes, sowie ein Teaser, der zu einer Anzeige führt. Darin wirbt der Lotterie-Anbieter für sich und seine Dienste. Ein Leser der Printausgabe kritisiert, dass in dem Beitrag siebenmal der Lotterie-Anbieter namentlich genannt werde. Die Redaktion zeige auch das Logo dieses Anbieters. Die Berichterstattung bestehe in weiten Teilen aus Informationen aus einer Presse-Information des Lotterie-Anbieters. Der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot nach Ziffer 7 des Kodex betreffe auch den Beitrag der anderen Zeitung. Der Teaser, der zu einer Anzeige führe, hätte ebenfalls als Werbung gekennzeichnet werden müssen. Der Chefredakteur der Zeitung bleibt bei seiner Ansicht, dass es sich hier um eine redaktionelle Berichterstattung von öffentlichem Interesse handele. Millionengewinne erregten grundsätzlich Aufmerksamkeit und Neugier bei den Menschen. Man wolle wissen, wer diese Glückspilze seien. Auch im Fall des Online-Artikels stellt der Chefredakteur fest, dass es sich dabei nach seiner Meinung um eine Berichterstattung von öffentlichem Interesse handele. Die Menschen wollten wissen, wer genau den Gewinn erhalte, wie seine Vorgeschichte sei und was der Glückspilz mit dem Geld vorhabe. Die Redaktion habe die von der Lottogesellschaft gebotene Gelegenheit genutzt, bei der Gewinnerbenachrichtigung dabei zu sein.