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Psychopharmaka in Getränken des Chefs

Boulevardzeitung berichtet eindeutig identifizierend über die Täterin

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Giftanschlag im Chefbüro“. Im Bericht geht es um die Verurteilung einer Frau wegen gefährlicher Körperverletzung. Sie hatte ihrem Chef Psychopharmaka in Getränke gemischt. Die Zeitung nennt den Vornamen der Frau, den abgekürzten Nachnamen, ihren Arbeitgeber, ihren Beruf und die portugiesische Herkunft. Zum Bericht gestellt ist ein Foto der Beschuldigten. Ihr Gesicht ist mit einem Augenbalken verfremdet. Der Autor schreibt, die Frau sei vermindert schuldfähig. Sie leide nach Aussagen eines Psychiaters an einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung. Ein Leser der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Frau identifizierbar dargestellt worden sei. Dadurch sei ihr Persönlichkeitsschutz verletzt worden. Der Beschwerdeführer kritisiert auch den Hinweis auf ihre psychische Erkrankung. Der Chefredakteur verweist in seiner Stellungnahme auf Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex. Die Redaktion habe über eine außergewöhnlich schwere Straftat berichtet. Dies sei nach der genannten Richtlinie gerechtfertigt. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit sei die Berichterstattung in dieser Form zwingend erforderlich gewesen. Es sei eine zentrale Aufgabe der Medien, über derartig hinterhältig begangene Straftaten zu berichten. Die sachliche Darstellung einer ärztlich diagnostizierten Persönlichkeitsstörung sei im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Dieser Umstand habe sich für die Frau strafmildernd ausgewirkt. Schließlich werde der Persönlichkeitsschutz der Beschuldigten gewahrt. Ihr Name werde nicht genannt, ihr Gesicht nicht erkennbar dargestellt. Die Frau lebe in einer Millionenstadt und nicht auf einem Dorf. Eine Identifizierbarkeit sei somit ausgeschlossen.