Familiendrama: Wohnung erkennbar gemacht
Zeitung nennt die Straße und zeigt ein Foto mit der Hausnummer
Ein Mann stürzt sich vom Dach eines Kaufhauses in der Frankfurter Innenstadt, überlebt aber. Jemand versucht, die Frau des Mannes über den Vorfall zu unterrichten, findet diese jedoch erschlagen auf. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über das Familiendrama. Mit vier Fotos wird die Tätigkeit der Spurensicherung in dem Haus der Familie in einem Ort bei Frankfurt illustriert. Die Redaktion nennt die Straße, in der das Haus liegt. Auf einem der Fotos ist die Hausnummer zu erkennen. Die Beschwerdeführerin – sie vertritt Jugendschutz.net, eine im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehene länderübergreifende Einrichtung des Jugendschutzes in den Medien – sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsschutz). Die Zeitung beachte nicht die nach Richtlinie 8.7 gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötung. Auch sei Richtlinie 8.8 verletzt, nach der der private Wohnsitz sowie andere private Aufenthaltsorte besonderen Schutz genießen. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitung handelt es sich bei dem Familiendrama um ein hochgradig öffentlich wahrnehmbares Ereignis, über das in zulässiger Weise und mit der gebotenen Anonymisierung berichtet worden sei. Der Suizid-Versuch habe sich in Frankfurts Haupteinkaufspassage vor den Augen unzähliger Passanten ereignet. Augenzeugen hätten die tragischen Momente ins Internet gestellt. Einer von ihnen habe der Redaktion sogar ein Video angeboten, das diese jedoch aus presseethischen Gründen nicht veröffentlicht habe. Große Teile der Einkaufsstraße seien abgeriegelt worden, was ein erhebliches öffentliches Interesse an dem Geschehen noch verstärkt habe. Was die Richtlinie 8.2 (Schutz des Aufenthaltsortes) angehe, sei eine Identifizierung nur anhand des Straßennamens nicht möglich.