Streit um „Tot schweigen“ und „Tot machen“
AfD in einer Stadt sieht sich durch Kommentar in Nazi-Nähe gerückt
Unter der Überschrift „Das Schweigen der Bürgerschaft“ veröffentlicht eine Regionalzeitung einen Kommentar, dessen Autorin sich kritisch mit einem Antrag der örtlichen AfD-Fraktion auseinandersetzt. Diese hatte Maßnahmen zur Beendigung vermeintlicher nächtlicher Ruhestörungen in einer Flüchtlingsunterkunft gefordert. Darauf hatten die anderen Fraktionen nicht reagiert. Einige Tage später beschreibt die gleiche Autorin, wie die anderen Parteien in der Bürgerschaft mit der AfD umgehen wollen. Die AfD-Fraktion wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie kritisiert einen Passus aus dem Artikel „Das Schweigen der Bürgerschaft“, der lautet: „Da hätte die AfD Farbe bekennen müssen. Und der Farbton wäre braun gewesen. Die Chance, das sichtbar zu machen, haben die Politiker vertan.“ Mit der Beschreibung der AfD als „braun“ rücke die Zeitung die Mitglieder der AfD-Fraktion ohne weiteren Beleg und nicht auf Tatsachen gestützt in die Nähe des Nationalsozialismus. Sie würden durch die Gleichsetzung und vor dem Hintergrund der von den Nationalsozialisten begangenen schweren Verbrechen in ihrer Ehre und Menschenwürde verletzt. Die AfD stört sich auch an dem zweiten Artikel der gleichen Autorin. Darin steht diese Passage: „Vor allem: die Bürgerschaft hat die AfD totgeschwiegen – aber nicht tot gemacht. Im Gegenteil – sie befördert den Zustrom zu dieser Partei“. Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass die Autorin den Begriff „tot machen“ präferiere und einforderte. Während für die Wendung „tot schweigen“ landläufig ein übertragener Sinnzusammenhang bekannt sei, der nicht den physischen Tod der totgeschwiegenen Person bedeute, sei ihnen ein übertragener Sinn für den Begriff „totmachen“ nicht bekannt. Personen tot machen habe nur die Bedeutung, sie zu töten. Hierin sehen die Beschwerdeführer eine gewaltbezogene Formulierung außerhalb des für sie Vorstellbaren und eine Verletzung der Menschenwürde. Der Chefredakteur der Zeitung betont, dass es sich um einen Meinungsartikel handele. Die Autorin kommentiere darin den Umgang in der Bürgerschaft mit der AfD-Fraktion. Mit dem zweiten Artikel sei der Zeitung ein Fehler passiert. Der Online-Bearbeiter habe offensichtlich eine Ergänzung durch die Autorin übersehen.