Tatvideo macht Überfallenen erneut zum Opfer
Eine Boulevardzeitung berichtet online über die Ermordung eines Spielhallenbesuchers. Unter der Überschrift „Hier stürmt der Messer-Killer in die Spielhalle“ schildert die Redaktion Aufnahmen eines Überwachungsvideos: Ein Mann betrete plötzlich den Raum. „In seiner Hand blitzt ein Messer auf! Sofort stürmt er auf den Spieler zu, rammt ihm die Klinge in die Brust. Einmal, zweimal. Das Opfer springt auf. Der Angreifer sticht weiter zu, in Schulter, Rücken.“ Die Redaktion zeigt ein unverpixeltes Porträtfoto des Opfers mit der Quellenangabe „Privat“, außerdem zwei Fotos aus dem Video, das den Täter beim Betreten der Spielhalle zeigt. Auch das Video selbst kann angeklickt werden. Darin ist zu sehen, wie der Täter in die Spielhalle kommt und auf das Opfer einsticht. Im Video sind beide Männer verpixelt. Die Beschwerdeführerin sieht Verstöße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex. Die brutale Zurschaustellung der Tat, bei der ein Mensch in den letzten Augenblicken seines Lebens zu einem wehrlosen Opfer degradiert werde, verletze erheblich seine Menschenwürde. Durch die Veröffentlichung des Porträtfotos, des Videos und des Vornamens mit abgekürztem Nachnamen sei das Opfer identifizierbar. Für das Verständnis des Tathergangs sei das Wissen um seine Identität unerheblich. Durch die unangemessene und grausame Darstellung in Form des Videos werde seine Ehre verletzt. Außerdem sei die Berichterstattung unangemessen sensationell. Davon seien auch Jugendschutzbelange betroffen. Vor allem Angehörige des Opfers seien durch die Veröffentlichung des Videos zutiefst schockiert. Eine Angehörige sei emotional hoch belastet, wenn nicht sogar ein zweites Mal traumatisiert worden, weil das Video nur wenige Stunden nach der Todesnachricht ihr die Tat im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt habe. Die Redaktion nimmt nicht Stellung.